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Greiffbar – Bärenstarke Woche

28. Januar 2022 - Volker Schilling in Gastbeitrag | 29 Kommentare

Welche Themen waren diese Woche am Finanzmarkt relevant?

  • Bärenstark
  • Mittelmäßig
  • Sackschwach

Bärenstark

Diese Woche fällt mir kein besseres Adjektiv zur Börse ein als bärenstark. Gleich der Wochenauftakt hat mit einem ordentlichen Rückgang klargemacht, dass wir in ein neues Regime eingetreten sind. Wir befinden uns jetzt in einem Zinserhöhungszyklus. Und die US-Notenbank hat dies am Mittwoch bestätigt. Voraussichtlich im März wird man damit beginnen, die Zinsen in einem ersten Schritt um 0,25% anzuheben. Damit findet ein großes Re-Pricing von Aktien statt. Der Faktor Zinsen ist eine der wichtigsten Determinanten zur Bewertung von Wertpapieren. Je mehr Zinsen es gibt, desto eher gibt es Alternativen zu Aktien und desto weniger sind Gewinne in der Zukunft heute wert. Die weltweiten Börsen haben genau dies in den letzten drei Wochen eingepreist. Mehr als ein Drittel der Nasdaq 100 Unternehmen liegen 33% unter ihrem 12-Monatshoch. Der Russell 2000, ein US-Nebenwerteindex mit 2000 Aktien, notiert mehr als 20% unter seinem Novemberhoch und befindet sich damit definitionsgemäß in einem Bärenmarkt. Viele Börsianer machen damit erstmals die Erfahrung, dass ihre Aktien länger anhaltende Kursverluste erfahren. Aus Gesprächen weiß ich, dass dies für viele nicht einfach ist. Auch Investoren müssen manchmal bärenstark sein.

Mittelmäßig

Dementsprechend fielen die Gegenbewegungen der Börsen in dieser Woche auch eher mittelmäßig aus. Zwar gab es insbesondere in den USA starke Intraday-Erholungen, wenn ich allerdings auf meine 30-jährige Börsenerfahrung zurückblicke, dann gleichen diese Erholungen mehr einer Bärenmarktrally, denn einem Befreiungsschlag. Noch kämpft die Börsengemeinde zwischen „Buy the dip“ und „Sell on good news“. Dazu kommen durchwachsene Ergebnisse bei einigen Quartalszahlen und die nach wie vor schwierige Situation bei Lieferketten und schwelende politische Risiken. Eines allerdings stimmt mich ganz zuversichtlich: C(r)ashprophet Dirk Müller hat sich wieder aus der Deckung gewagt und prophezeit den großen Knall. Sein jüngstes Video stimmt seine Jünger auf den nahenden Kollaps ein. Brauchen Sie sich nicht anschauen, ist auch eher mittelmäßig. Der Begriff „mittelmäßig“ ließe sich aber auch noch anders interpretieren. Gerade Börsen haben lange Historien und damit gut bestimmbare Mittelwerte was Bewertungen, Volatilitäten und Marktpreise betrifft. Was der anglophile Wirtschaftsinteressierte als „Mean Reversion“ kennt, sollte der germanophile Börsenliebhaber als „Mäßigung zur Mitte“ nicht verschmähen – mittelmäßig eben.

Sackschwach

Ich möchte allerdings nicht verschweigen, dass es diese Woche auch saustarke Meldungen von Unternehmen gab. Da steht ganz weit vorne das Tech-Urgestein Microsoft. Die Cash-Maschine hat im 4. Quartal einen Nettogewinn von sage und schreibe 18,8 Mrd. USD erzielt. Eine Marge von 36%. Trotzdem gab es Kursrückgänge bei Microsoft, denn in unsicheren Marktphasen nimmt man gerne die sicheren Gewinne mit. Wir haben diese Gelegenheit genutzt, um unsere Positionen weiter zu erhöhen. Ebenso bei SAP, die diese Woche ebenfalls sehr gute Zahlen gemeldet haben und trotzdem an der Börse abgestraft wurden. Das viel beobachtete Cloud-Geschäft konnte bei SAP um 28% wachsen und auch beim Gewinn konnte SAP die Prognosen toppen. Trotzdem verlor die Aktie mehr als 8%. Das halte ich für übertrieben und freue mich über einen guten Nachkauf an dieser Stelle. Manchmal ist saustark eben auch, an einem sackschwachen Tag mutig zu sein. In diesem Sinne: Lassen Sie sich nicht entmutigen und starten bären-, sau-, löwen- oder bullenstark in die kommende Woche.

Ihr Volker Schilling

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29 Kommentare

  1. „Je mehr Zinsen es gibt, desto mehr Alternativen…“ Ja eine bekannte Erfahrungstatsache. Probleme ergeben sich aber, wenn man diese Prämisse praxisnah auf die aktuellen Verhältnisse anwenden will. Mit dem Begriff „Alternative“ eng verbunden ist die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer Möglichkeit. Zuerst stellt sich die Frage nach dem Rendite vergleich zwischen vd. Anlagemöglichkeiten. Rendite im Wortsinn ist nur ein Vermögensvorteil. Kann man negative Realzinsen als Rendite bezeichnen? Weiter stellt sich die Frage wie sich die möglichen Renditespreads vd. Anlagemöglichkeiten wahrscheinlich entwickeln werden. Dazu müsste man sich auch die Entwicklung der Zinserhöhungszyklen nach Dauer u. Höhe ansehen u. werten. Im Hinblick auf die künftigen Renditechancen v. Aktien müsste man die voraussichtliche Ergebnisentwicklung einschätzen etc. etc. oder liege ich falsch?

  2. Es gibt immer gute und nachvollziehbere Gruende. die gegen etwas sprechen, wie die Alternativlosigkeit oder die negativen Realzinsen.
    Die Summe aller guten Gruende laehmt die Lemminge.

  3. Äh nicht desto mehr.. desto eher.Problematik (u.a. negative Realzinsen, Prognosen Wirtschaftswachstum )bleibt trotzdem.

    • Es bleibt allerdings auch das Problem eines möglichen, aber bisher unbezifferten u. unterminierten Liquiditätsentzugs durch die FED… insbesondere, wenn die Inflation steigt/stagniert. R. Halver äußert sich in seinem neuesten Kommentar eher optimistisch u. hofft auf markt/konjunkturschonende Maßnahmen der FED. Es gibt aber auch pessimistischere Stimmen (WiWo). Immerhin hat die Wallstreet im späten Freitagshandel ins Plus gedreht (smart Money?). Wie die meisten Auguren vorhersagen bleibt es wohl volatil. Ãœberberbewertete Aktien u. Bitcoins hat erwischt. Meine Reserve f. schwarze/graue Schwäne bleibt nunmehr erstmal weiter unberührt. Ob man einen Teil in US Dollar umwechselt? Hhm. fallen erstmal Kosten an. Wie weiter?

  4. Ich halte den Begriff „Bärenmarkt“ für verfrüht und ungeeignet. Nach der 20%-Definition trifft er nur auf den Russell 2000 und vielleicht auf den Nasdaq zu. Schaut man auf den Weltaktienindex ACWI, haben wir eine lupenreine Korrektur, die auf der 200-Tagelinie aufgesetzt hat. Das kann sich natürlich Richtung unten ausweiten. Aber das ist noch nicht gesagt.

    Wir nähern uns wieder normalen Börsenzeiten, wo um die Richtung gekämpft wird und zu jeder Aufwärtsbewegung Korrekturen gehören. 2021 war das Unnormale. So ein Jahr, wo es immer nur bergauf ging, habe ich noch nie zuvor erlebt.

    Zur Einordnung der Notenbankpolitik wurde ja schon genug gesagt. Und auch dazu, dass steigende Zinsen nicht zwangsläufig sofort fallende Aktienkurse bedeuten.

    Ich habe einen interessanten Beitrag von Thomas Lehr gefunden zu gegenwärtigen Investitionsmöglichkeiten, zur Abzinsung zukünftiger Gewinne angesichts steigender Zinsen und zu Value vs Growth. (Peter wird sich freuen)
    https://www.flossbachvonstorch.de/de/news/billig-ist-nicht-immer-guenstig/

    • Danke Aries, interessant. Ich versuche immer vd. Meinungen zu hören u. mir dann ein eigenes Urteil zu bilden. Halte es für ziemlich arrogant, wenn „Börsianer“ Ansichten v. seriösen Dritten, die sich teils jahrzehtelang v. Berufs wegen mit Wirtschaft/Börse beschäftigt haben in den Wind schlagen u. sich auf ihr höchstpersönliches Bauchgefuehl verlassen. Klar muss man da auch aufpassen.

  5. Diese Menschen neigen dazu die Vergangenheit nostalgisch zu verklaeren.Negatives geraet nach einer Weile in Vergessenheit.Postives entwickelt immer mehr Strahlkraft.

  6. Mal gucken wie die nächste Woche sich entwickelt und ob es leicht positiv weitergeht oder wir wieder Rücksetzer sehen…

    Bleibe dabei, Tech weiter eher meiden (E-Commerce halte ich reduziert aber fest), Value bevorzugen… z.B. BASF und Bayer halten sich (bisher) ziemlich gut bzw. performen sogar in 2022 und ich denke der Trend setzt sich bei den beiden Unternehmen fort…
    Kryptos baue ich auch etwas aus, ich denke man könnte vielleicht mit etwas Trading dieses Jahr hier schon ein paar Prozente machen, gerade nach der Korrektur seit November 2021… mal schauen, ob es so kommt.

    FED erhöht nun im März die Zinsen, konkrete Aussagen zur Bilanzreduzierung kommen frühestens im März, wenn überhaupt dann schon, bis dahin mindestens kein Störfeuer mehr… die Wirtschaft hat noch viel nachzuholen und das könnte die Börsen im ersten Halbjahr noch stützen…

    Vielleicht wird sogar 2022 nochmal ein recht gutes Jahr insgesamt und die starke Korrektur, gar ein möglicher Crash sehe ich dann bei starker Bilanzkürzung, dann doch mit höherer Wahrscheinlichkeit/höherem Risiko zumindest 2023.

    Cashquote bleibt erstmal bei 10 bis 20 Prozent und mal schauen wie der Februar startet…

    • Ja BASF, Siemens, Eon, RWE, dt. Post, Allianz halte ich auch. Nicht nur nach KGV, sondern selbst nur nach Dividendenrendite allein sind diese Werte 10jaehrigen dt. Staatsanleihen weit überlegen. Kryptos sind mir zu spekulativ u. während einer möglichen Zinserhöhungsserie in USA evtl. weiter gefährdet.

      • Hallo Peter,
        bin ich insgesamt bei dir. Bei Kryptos ist es bei mir ein kleiner Teil im Depot, den ich aber etwas ausbauen möchte. Wie unten Sandro in einem Beitrag schrieb, seit November 21 sind Kryptos deutlich zurückgekommen (kann natürlich noch weiter gehen, da sind wir wieder beim Thema Timing). Ich sehe bei Krypto nicht nur Bitcoin (das ist für mich eher wie Gold zu sehen), aber die anderen Ethereum, Solana, Ripple, Cardano…

        Ich sage gleich offen, ich habe von Kryptos letztlich keine wirkliche Ahnung und es ist auch völlig unklar, welche Projekte sich durchsetzen u.ä., aber das Thema Blockchain ist in meinen Augen nicht zu verachten, vieles steckt noch in den Kinderschuhen und das Potenzial für viele Bereiche soll gigantisch sein… und darauf setze ich. Total spekulativ, ich weiß… aber ich finde es zu spannend, um es nicht zu beachten im Depot… vor allem weil ja immer mehr Großkonzerne sich dem Kryptothema und Blockchainthema widmen…

        Und wenn Sandro richtig liegt und Growth bald wieder gefragt ist – denke aber ausgewählte Value-Titel laufen weiter und mancher Growth-Wert wird auch nicht wieder auferstehen (z.B. Peleton & Co) – dann werden auch die Kryptos wieder anziehen, selbst wenn es dort weiter erstmal nach unten geht. Mit meinen Minipositionen, ich habe Zeit…

        • Tja Andreas „Mini-Positioen“ kann man mit Geduld probieren. Z.Zt. wird halt argumentiert, daß Kryptos, Gold u. Peloton & Co. bisher v. Zinslosigkeit der Festverzinslichen profitierten, weil insoweit auch deren Zinslosigkeit dadurch f. die Anlageentscheidung unwichtig war. Mit den zu erwartenden Zinsschritten der Fed ändert sich der Status quo. Tatsächlich ist ja auch Gold trotz historisch höher Inflation nicht gestiegen u. die Nullgewinn-Hoffnungswerte gefallen. Mein ja nur ……

        • @ Andreas B

          Gleich vorweg, ich hoffe sehr und wuensche Dir, dass Du aus Deinem Krypto Engagement iwie noch rauskommst.
          Miniposis des Einen sind ein Batzen Geld fuer andere …
          Die FED sammelt das ausgereichte Geld groesstenteils wieder ein. Es war also doch nur geliehen und kein Geschenk. Die Waehrung bleibt in der Folge dessen noch ewig stabil und alle Kryptos werden obsolet.
          Ich sage das.Sage bitte hinterher nicht, dass ich es nicht gesagt haette.

          • @Lies
            Da du vernünftig geschrieben hast, bin ich auch gern bereit dir zu antworten (auch wenn ich hier mal anderes geäußert habe).

            Für mich sind meine Investments in Kryptos überschaubar, in dem Sinne, das Risiko gehe ich ein. Sicher weiß ich auch, dass Kryptos sehr spekulativ sind. Die völligen Übertreibungen November 2021 haben sich merklich abgekühlt. Ich setze momentan auch auf eine schon technische Gegenbewegung in den nächsten Wochen. Ob ich dann kurzfristig auch wieder Risiko rausnehme oder doch länger Dinge liegenlasse, abwarten.

            Kryptos und Blockchain werden bleiben, in irgendeiner Form, d.h. nicht, dass es nicht erstmal zum Megacrash kommen kann. Unternehmen, Vermögensverwalter, Banken usw. immer mehr beschäftigen sich mit dem Thema und sind irgendwie bei Kryptos mit involviert oder planen es.

            Und warum betrachtet Biden Kryptos als regulierungsnotwendig für die nationale Sicherheit? Ich bin mir sicher, Kryptos werden reguliert (was bei den Exzessen teilweise auch gut tut), glaube aber nicht an ein generelles Verbot (in Ländern wie USA oder Europa).

            Wie gesagt, ich finde es einfach zu spannend und ja, vielleicht ist es etwas Spielgeld einfach, vielleicht auch als Zock zu sehen… wenn es schief geht, dann ist es halt so, es ist nur Geld, Gesundheit, gute ehrliche Freunde usw. zählen doch letztlich im Leben. Kryptos werden nie eine Gewichtung von 10 Prozent meines Depots jemals überschreiten. D.h. aber jetzt nicht, dass ich mich in dieser Größenordung momentan überhaupt annähernd bewege.

      • Leider ist Dividendenrendite nie ein Sicherungsnetz. Auch genannte Werte koennen sich locker halbieren. Und Dividenden koennen ganz schnell gekuerzt oder gestrichen werden.

        • Klar kommt immer auf das Zeitfenster an. Siehst Du eine Rezession Paulchen u. wenn ja woran erkennst Du diese?

          • Grad keine Hellseher da.
            Fehlt das Wissen hinsichtlich der Definition oder bei Verstaendnischwierigkeiten ganz allgemein, Mr.Google hilft … –
            Zum Ausstieg wird nicht geklingelt.

          • Tzz … Deutschland befindet sich bereits in einer technischen Rezession.

        • @ Paulchen

          Da hast Du voellig recht. Aktien sind Risikoanlagen . Da gibt es kein Sicherheitsnetz. Es sei denn, man spannt es sich.

  7. @Aries

    Du hattest mir im letzten Jahr einmal ein Buch von Ken Fisher empfohlen („Beat the Crowd“, 2014), als ich nach einer Literaturempfehlung zur Börsenpsychologie gefragt hatte. Ich hatte mir das Buch besorgt und habe es mittlerweile größtenteils gelesen. Es war eine gute Empfehlung.

    Zum Thema entnehme ich dem Buch u. a. folgende 3 Beobachtungen:

    1. Während eines Bärenmarktes und zu Beginn eines Bullenmarktes war in der Vergangenheit üblicherweise „Value“ gegenüber „Growth“ überlegen. In der Spätphase eines Bullenmarktes hingegen umgekehrt.

    2. In der zweiten Hälfte eines Bullenmarktes waren in der Vergangenheit margenstarke Unternehmen stärker gefragt. In der ersten Hälfte eines Bullenmarktes hingegen margenschwache – zu Beginn des Bullenmarktes, wenn die Unsicherheit noch hoch war, waren sie günstig zu haben.

    3. „Small caps“ waren fast immer nur zu Beginn eines Bullenmarktes überlegen, d. h. im ersten und ggf. auch noch im zweiten Jahr. In allen anderen Zeiten waren „small caps“ unterlegen. Die historische Gesamtauswertung wird zudem durch die Jahre 1932 und 1942 (jeweils Anfangsjahre eines Bullenmarktes) erheblich verzerrt. Fishers Analyse widerspricht somit im Wesentlichen der Marktkapitalisierungs-Faktorprämie nach Fama – French (Dreifaktormodell), mit der manche ETF-Strategen so gerne werben.

    Für die drei genannten Zusammenhänge gibt es einleuchtende Gründe. Ob diese Kriterien immer halten, erscheint fraglich, insbesondere, wenn die Zusammenhänge bekannt sind und schnell eingepreist werden. Dennoch könnte man versuchen, die aktuelle Phase anhand der drei obigen Kriterien festzulegen. Wenn bspw. „Growth“ seit längerer Zeit angesagt wäre, dann wären wir wahrscheinlich in der Spätphase eines Bullenmarktes (nur wüssten wir nicht, wie lange er andauert).

    M. E. liegt aber nun eine Besonderheit vor:
    Versuchsweise betrachte ich die Zeit seit dem Börsentiefpunkt in der Corona-Krise als ein Subzyklus im übergeordneten Bullenmarkt, der 2009 begann und immer noch andauert (beide Zyklen sind überlagert). Der seit 2009 andauernde Bullenmarkt wurde nicht auf übliche Weise beendet durch „the wall or the wallop“. Die Variante „The wall“ war noch nicht erreicht, und „the wallop“( = massiver Geldabfluss durch Finanz- und Wirtschaftskrise mit monetärer Ursache) wurde durch die Geldflut der Notenbanken frühzeitig verhindert/aufgeschoben (obwohl die Zinskurve 2019 bereits invers war). Die Corona-Krise – als seltener Ausnahmefall einer Krise ohne monetäre Ursache – beendete folglich nicht den übergeordneten Bullenmarkt, sondern leitete nur einen neuen Subzyklus ein. Der Bullen-Subzyklus (prozyklisch zum übergeordneten Bullenmarkt) endete im November letzten Jahres mit dem beobachteten Einbruch der unsicheren kleinen „Growth“-Werte (teils mit bereits astronomischem KGV), Einbruch der Kryptos und der Rotation hin zu Value-Werten, die seit Beginn des Jahres fast einhellig von den Börsenexperten empfohlen werden (im Einklang mit den obigen Kriterien bezogen auf den Subzyklus). Im Prinzip hätten wir dann also derzeit einen „versteckten“ kleinen Bärenmarkt (dem Subzyklus zugeordnet), überlagert vom übergeordneten längerzeitigen Bullenmarkt, der 2009 begonnen hat.

    Die Schlussfolgerung aus dieser Sichtweise (Subzyklus im übergeordneten, überlagerten und ggf. spätphasigen Bullenmarkt) wäre dann aber, dass die Rotation – Growth zu Value – nicht von langer Dauer sein wird. „Growth“ müsste recht bald wieder die Oberhand gewinnen, dem Verlauf des übergeordneten Zyklus entsprechend. Ohnehin wäre zu vermuten, dass „Value“ relativ zu „Growth“ schon genug Aufwertung erfahren hat, nachdem das überall empfohlen wird. Alles schon eingepreist. Es sei denn, wir treten gerade tatsächlich in einen länger andauernden Bärenmarkt ein. Aber warum sollten wir? Ohne besondere Gründe? Monetäre Gründe (als übliche Determinante eines Zyklus) gibt es jedenfalls noch nicht, nachdem wir erst gerade eine neue Geldflut miterlebt haben.

    • Hallo Sandro, es freut mich, dass dir Ken Fischer geholfen hat. An seiner Marktbetrachtung ist meiner Ansicht nach viel dran.

      Ja, und auch die Beurteilung des Faktor-Investments teile ich. Kommer Invest vertritt Faktor-Investment in seinen ETF-Portfolios. Sie sagen aber ganz ehrlich, dass es viele Börsenphasen gibt, wo Faktorinvestment underperformt. Und, wenn es langfristig besser ist, dann nur um 0,25% oder so. Dennoch halte ich ETFs von Franklin, die Faktoren einbeziehen. Gegenwärtig bin ich sehr froh, dass ich sie habe. In den vergangenen Jahren habe ich es manchmal bereut.

      Deine Analyse, dass Growth bald wieder kommen könnte, vertritt auch Thomas Grüner von Grüner-Fisher-Investment. Er ordnet auch die Corona-Krise sei ein wie du. Ich lese immer seine Kommentare. Hier z.B.:
      https://www.gruener-fisher.de/media-archiv/ruhe-bewahren-in-volatilen-maerkten.html . Für meinen Freund mit seinem Techno-Portfolio ist das die (letzte) Hoffnung.

      Interessant fand ich die Ansicht von Thomas Lehr, dass sich Value oft in Growth findet. Siehe den Link, den ich weiter oben gepostet habe. Vielleicht ist ja die Unterscheidung zwischen Value und Growth in einer dynamisch sich entwickelnden Wirtschaft wirklich überholt.

      Man kann die Sache auch so sehen: Es gibt mehrere Investmentstile, die jeweils ihre Vor- und Nachteile haben. Wichtig ist, dass man sie durchhält, um auch von ihren Vorteilen zu profitieren. Auch dazu gibt es einen Klassiker. Wenn du ganz viel Ausdauer hast, rate ich zu: James P. O‘Shaughnessy: „What Works on Wall Street“, 2012 4 (600 Seiten mit unendlichen Zahlenkolonnen. Dennoch sehr erhellend!)

      • Na ja, Betrachtungen in Form von Zyklen können hilfreich sein, um kausale Zusammenhänge und Entwicklungsphasen zu erkennen. Aber feste Zeiträume und eine strenge Periodizität – da hört es bei der Börse auf. Wenn dann noch Fibonacci-Zahlen bzw. der Goldene Schnitt ins Spiel kommen, dann wird es esoterisch.

        Wer weiß, vielleicht sorgt eine neue Dampfmaschine auch dafür, dass der von Raimund irgendwann erwartete „Reset“ etwas verschoben wird. Andere würden vielleicht ein Ereignis wie so einen „Reset“ des Finanzsystems wiederum als Ursache dafür sehen, damit überhaupt eine neue große Erfindung gemacht wird – ganz nach der Regel „Not macht erfinderisch“. Manche sehen auch in der Künstlichen Intelligenz eine „Neue Dampfmaschine“. Aber vielleicht gibt es – im übertragenen Sinne – auch einfach große und kleine Dampfmaschinen, die von Zeit zu Zeit erfunden werden.

      • Ja P. E. Huber hat Recht. Man sollte sich weniger um Zyklen kümmern, sondern mehr den Wirtschaftteil von Zeitungen/Medien über die Themen Zinsen, Auftragslage, Ifo, Wirtschaftswachstum, Unternehmenmeldungen, Verbandsmitteilungen lesen.

  8. Sandro, alles richtig beobachtet. Ich schätze Deine Analysen.

  9. Baerenstarke Analyse von #Volker Schilling

  10. Klar kommt immer auf das Zeitfenster an. Siehst Du eine Rezession Paulchen u. wenn ja woran erkennst Du diese?

    • Nein, an eine Rezession glaube ich zur Zeit nicht. Aber das haengt sicherlich von den Zinsschritten der FED in diesem Jahr und dem Umfang der Bilanzreduzierung ab.

  11. Bei Gold wird es spannend. Nach dem starken Anstieg kam erst die Fahne und dann eine Seitwärtsbewegung als Dreieck. Die Richtung, die Gold jetzt einschlägt, sollte die nächste Zeit anhalten.

    • Mit dem Gold is das ganz klassisch so. Sell on good News. Die Inflation is getz da und folgerichtig faellt das Gold. So laeuft der Markt.

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