Greiffbar – Schon-Haltung oder Hertz-Schrittmacher?
29. Oktober 2021 - Fabian Hoch in Allgemein | Keine Kommentare »
Welche Themen waren diese Woche am Finanzmarkt relevant?
- Schon-Haltung
- Hertz-Schrittmacher
- Meta-Bolismus
Schon-Haltung
Die Diagnose ist klar: In Sachen Aktienanlage haben die Deutschen seit Jahrzehnten eine Schonhaltung eingenommen. Damit ist nichts Anderes gemeint als die Haltung, die man einnimmt, um Schmerzen zu vermeiden. Der Schmerzhemmer war das Sparbuch, das Festgeld oder die Versicherung. Doch inzwischen sind die Nebenwirkungen dieser Schulmedizin virulent: Kaufkraftverlust, Verwahrentgelte, sinkende Ablaufleistungen. Der neue Impfstoff dagegen sind Aktien oder Aktienfondsanlage. Hier jedoch trifft die Angst vor einer Aktienkorrektur auf eine mögliche neue Aktienkultur. Und wenn die Fieberkurve an den Kapitalmärkten mal wieder steigt, werden wir sehen was diese neue Aktienkultur wert ist. Denn ohne Beta-Blocker kann der Bluthochdruck schnell ansteigen, wenn es zu Wertschwankungen von 20, 30 oder 50% kommt. Und die sind kurzfristig aber immer einzukalkulieren, um langfristig die Wirksamkeit der Aktienmedizin zu erreichen. Da müssen Sie dann „schon Haltung“ bewahren und vor allem durchhalten. Ertrag kommt von ertragen, denken Sie daran. Um aus der Schonhaltung herauszukommen, veranstalten die Börsen auch in diesem Jahr wieder einen Tag der Aktie. Genau heute und genau zu diesem Zeitpunkt, an dem immer noch der Weltspartag mehr ins Sparbuch spült als auf den Kapitalmarkt. In diesem Sinne nutzen Sie die Aktion der Börsen, denn heute ordern sie rezeptfrei, pardon gebührenfrei.
Hertz-Schrittmacher
Wer hätte gedacht, dass der noch vor kurzem scheintote Autovermieter Hertz zum Schrittmacher von Tesla wird? 100.000 neue Teslas ordert der Autovermieter diese Woche beim Elektroautopionier und schiebt damit die Aktie von Tesla erstmals über 1 Billionen US-Dollar Marktkapitalisierung. Elon Musk wurde damit über Nacht zumindest auf dem Papier um 29 Milliarden reicher. Dabei ist Hertz selbst erst aus dem Totenbett auferstanden und nach einer Insolvenz in der Coronazeit wieder aus dem Koma erwacht. Im Juli diesen Jahres dann erneuter Börsengang, danach erst einmal im Kurs halbiert, um sich davon wieder zu verdoppeln. Da braucht man fast selbst einen Defibrillator, um den „Hertzschlag“ zu überleben. Für Tesla allerdings geht es kurstechnisch steil bergauf, denn schließlich ist das Flottengeschäft mit Firmen und Autoverleihern die Königsdisziplin für Autobauer und da war Tesla bisher anämisch unterwegs. 4,2 Milliarden spült der Deal in Teslas Kassen. An Schwäche, Abgeschlagenheit und Erschöpfung leidet das Unternehmen nicht, im Gegenteil, man ist immer noch der Taktgeber für alle Autobauer. Und auch VW Vorstand Herbert Dies diagnostizierte in dieser Woche: Teslas Produktivität ist die beste Medizin für die weitere Genesung von VW.
Meta-Bolismus
Ãœbersetzt bedeutet Metabolismus so viel wie „Umwandlung“. Besser kann man die Behandlung oder sollte ich besser sagen Verwandlung von Facebook kaum beschreiben. Der Multi-Konzern gibt sich den neuen Namen: META! Dringt damit an Stellen des Metaversums vor, die nie zuvor ein Mensch gesehen hat. Und da der Begriff Metabolismus auch den gesamten Stoffwechsel eines Organismus beschreibt, kann man Mark Zuckerberg nicht unterstellen, er würde sich nicht um das große Ganze kümmern. Im Gegenteil, das ganz Große strebt er an, eine Welt in der Realität und Fiktion verschwimmen. Ein Leben, welches komplett auf seiner neuen virtuellen Plattform stattfinden wird – so seine Vision. Puh, da fällt mir spontan der Satz von Altbundeskanzler Helmut Schmidt ein, der sagte: „Wer Visionen hat, der sollte zum Arzt gehen“.  Aber wo wäre die Welt heute ohne die Visionäre? In diesem Sinne greift meine medizinische Meta-pher wohl heute zu kurz. Ich wünsche Ihnen in dieser Woche deshalb vor allem Gesundheit.
Ihr Volker Schilling
Weitere Greiffbar-Ausgaben lesen