Was ist der normale Zins?
2. September 2020 - Robert Z. in Gastbeitrag | 3 Kommentare
Immer öfter hört man gleich nach dem Wort „Minus–Zins“ die Frage „Wann gibt es wieder „normale Zinsen“. Natürlich meint jeder mit „normal“ etwas anderes; der häufig als „ungeschickt“ bezeichnete deutsche Sparer wahrscheinlich so etwas wie 3% auf dem Sparbuch. Beantwortet soll diese Frage hier ganz sicher nicht werden. Aber manchmal ist auch interessant, die Zinsentwicklung seit der (nicht allzu) fernen Vergangenheit sich anzusehen. Da kann zwar jeder sein Quellenstudium selbst betreiben.
Da ich Wochenschluss-Daten seit dem Ende der 1960er Jahre von mehreren Quellen zu meiner privaten „Library“ zugefügt habe, teile ich sie mit Euch gerne im Hinblick darauf, dass mancher des WWD-Kreises diese Mühe sich nicht gemacht hat oder machen möchte – jedoch trotzdem Interesse für die Entwicklung der Zinsen der letzten ca. 50 Jahre hat.
Natürlich ist dies (wie beim Lotto) – ohne Gewähr. Im beigefügten Chart wurden für die USA (blau) und für die BR-Deutschland (rot) die langfristigen Zinsen (10 year treasuries bzw. Umlaufrendite) als dicke Linien dargestellt. Dünne Linien zeigen die kurzfristigen Zinsen (90 Tage USA und Euribor 90 Tage). Für die Vor-EUR-Zeit wurden die deutschen kurzfristigen Zinsen verwendet und beide dunkelrot wiedergegeben. Ähnlich wurde mit den gepunkteten Linien der beiden Zentralbanken verfahren – Bundesbank und EZB sind nicht ganz vollständig.
In diesem Langzeit-Chart sieht man drastisch, wie sämtliche Zinsen bis ca. 1980 (mit einem Rücksetzer) fast parallel rasant anstiegen. Bezeichnend sind die hohen Werte der US-Federal Reserve. Die deutschen Werte blieben dabei meist etwas unterhalb der USA-Werte. Das Jahrzehnt 1970 – 1980 war geprägt von Inflation und auch von Preis- und Lohnkontrollen in den USA in der Amtszeit von Präsident Richard Nixon. Spätestens nach etwa 30 Jahren fast linearem Absinken, überlagert mit Schwankungen, wurde die frühere Sorge vor Zinsen, die durch die „Decke“ gehen könnten, durch die kaum weniger erregende Frage abgelöst ob und wie dieses stetige Absinken über dem „Boden (0 %)“ noch abgefangen wird. Ab 2011/2012 sah dies für die blauen Linien (USA) zunächst positiv aus während die roten Linien (DE/EUR) das Sinken fortsetzten und ab ca. Anfang 2019 die 0-Linie unterschritten und bis heute bei ca. -0,5% annähernd horizontal verlaufen. Die blauen Kurven (USA) verlaufen seit ca. Mitte 2019 ebenfalls fast horizontal jedoch ca. 1% bis 1,5% höher bei ca. +0,7% mit Schwankungen.
Legt man ein Lineal an den langfristigen roten Linien-Verlauf so kann man jedoch kaum schon zu dem Schluss kommen dass der langfristige Abwärtstrend bereits gestoppt ist.
Mit Blick auf den Chart stellt man auch schnell fest, dass es das o. g. „Normal“ in den letzten 50 Jahren nie über einen längeren Zeitraum gegeben hat. Vielmehr wird dem Betrachter bewusst wie weit die Zins-Spanne in dieser Zeit-Spanne war.
Konzentriert man sich auf die rote Kurve, könnte man meinen, dass ein zyklischer Verlauf (Wirtschaftliche Zyklen?) dem fast konstanten Abwärtstrend seit 1980 nur etwas überlagert ist. Auch die Währungsumstellung ist an der Kurve unauffällig. Die Finanzkrise jedoch eher erkennbar.
Jedenfalls gewinnt man den Eindruck dass das stetige Absinken der Zinsen zu keiner Zeit sich abgeschwächt hat oder gar sich einem horizontalen Verlauf angenähert hat. Die letzten 5 Jahre erscheinen dabei „optisch/gefühlt“ weniger dramatisch als der Gipfel vor rund 40 Jahren. Konzentriert man sich nur auf die letzten 5 Jahre so kann man eine Abschwächung erkennen.
Um nur kürzere Zeiträume (z. B. 5 Jahre zurück) genauer zu analysieren muss man bekanntlich den Chart eben selektieren und den Ausschnitt neu skalieren. Im 2. Teil, der kurzfristig folgt, möchte ich noch etwas anderes in dieser Richtung versuchen.
Ganz herzlichen Dank für die Ausarbeitung, lieber Robert. Du rennst damit bei mir offene Türen ein, weil ich seit Jahren nicht nur beschreibe, wie die Zinsen im langfristigen Abwärtstrend sind, sondern auch die Ursachen dafür nenne,
Nur eine kleine Ergänzung möchte ich machen: Den anhaltenden Abwärtstrend erkennt man am Ende – also etwa in den besagten 5 Jahren – noch besser, wenn man einen logarithmischen Chart verwendet und keinen linearen, wie Du das gemacht hast. Wenn Du also – wie von Dir angekündigt – diesen Zeitraum noch einmal extra herausgreifst, solltest Du auf einen Log-Chart zurückgreifen.
Lieber Raimund, ja ich weiss wie sehr Du Dich mit dem Dreieck „Zinsen, Schulden, Assetmärkte“ und deren Beziehungen zueinander seit Jahren beschäftigst. Auch im Hinblick darauf habe ich mich auf die Präsentation der Daten beschränkt. Wenn Du zu Ursachen und Inhalten Dich noch äussern wolltest würde ich dies schon deshalb nicht als „Nachbessern“ empfinden. Ich habe extra das Wort „linear“ zweimal wieder rausgestrichen – aber Du hast auch ohne Fingerzeig den geplanten Punkt als Fortsetzung gewünscht. Du weißt schon auch dass Dir jeder Mathematiker sagen wird „negative Werte und Logarithmus“ geht nicht. „A bissl was geht immer!“ sagt man gerne in manchen Gegenden der Republik.
„ ‚A bissl was geht immer!‘ sagt man gerne in manchen Gegenden der Republik.“
Genau, deshalb sollte man die Log-Betrachtung auf den positiven Zinsbereich beschränken und in diesem Fall den negativen ausblenden. Denn es kann bei dieser Betrachtung nur um die Frage gehen, ob der langfristige Abwärtstrend gebrochen wird. Dies würde ohnehin erst im positiven Zinsbereich relevant werden. Einem Bruch des Abwärtstrends im negativen Zins-Bereich würde ich keine größere Bedeutung beimessen.
„Wenn Du zu Ursachen und Inhalten Dich noch äussern wolltest würde ich dies schon deshalb nicht als „Nachbessern“ empfinden“
Ich glaube, dazu habe ich alles gesagt und will die Leser deshalb nicht mehr damit langweilen.