Woher kommt der Wachstumsdruck im Geldsystem?
12. April 2017 - Raimund Brichta in Allgemein | Keine Kommentare »
Die Diskussion auf der Webseite zum Buch geht weiter. Hier ein Auszug aus meiner neuesten Antwort:
Der grundlegende Wachstumszwang gründet nach meiner Erkenntnis auf mehreren Faktoren (so habe ich es auch im Buch “Die Wahrheit über Geld” beschrieben):
a) Zins und Zinsezins
Nur wenn jedweder Zinsertrag wieder vollständig in den Geldkreislauf zurückgeführt würde, ergäbe sich daraus keinerlei Zwang zum Wachstum und zur Aufschuldung. Da dies aber – wie Sie selbst beschreiben – in der Realität nicht der Fall ist (ein Teil der Zinserträge bleibt immer irgendwo hängen und wird gehortet), verstärken Zins und Zinseszins den Wachstumsdruck.
Darüber hinaus macht der Zins bei den Schuldnern zusätzliche Ausgaben für den Schuldendienst erforderlich, die diese nicht hätten, wenn es keinen Zins gäbe. Somit wird deren Geldbedarf größer, was den Wachstumsdruck ebenfalls verstärkt.
b) Geldvermögensbildung generell
Die Hauptursache für den Wachstumszwang liegt aber darin, dass es überhaupt das Streben nach Geldvermögensbildung gibt. Wenn Geld, egal aus welchen Zahlungen es zufließt (Zins, Miete, Lohn, Verkäufe etc.) gehortet und damit “stillgelegt” wird, fehlt diese letztendlich, um ausstehende Kredite zu bedienen und muss deshalb “aufgeschuldet” werden.
Den Kreislaufentzug beschränke ich dabei nicht nur auf die Realwirtschaft, welche Sie erwähnen, sondern generell auf den gesamten Geldkreislauf. Schließlich werden Kredite auch zu rein spekulativen Zwecken aufgenommen, welche ebenfalls stets bedient werden müssen.
Kurzum: Die Tatsache, dass Geld nicht nur als Zahlungsmittel, sondern auch als Wertaufbewahrungsmittel dient, führt zum Wachstums- und Aufschuldungszwang im System. Ich habe das im Buch mit der Bemerkung kommentiert, dass Geld zuweilen damit “überfordert” sein kann, beide Funktionen zu erfüllen. Und mit Überforderung meine ich, dass daraus die benannten Probleme entstehen.
c)
Um den systemimmanenten Wachstumszwang vollends zu erfassen, müssen wir das Blickfeld aber weiten: Bisher haben wir als Ursache nur Zahlungsmittel betrachtet, die gehortet werden und damit dem Kreislauf entzogen werden.
Wenn Sie aber meine Definition von Geldvermögen zugrunde legen, und zwar
Geldvermögen = Bestand an Zahlungsmitteln + Bestand an Forderungen auf Zahlungsmittel,
dann erkennen Sie, dass jedwede Erhöhung des Forderungsbestandes (Teil 2 der rechten Seite) automatisch und rein definitorisch auch eine Erhöhung des Schuldenbestandes zu Folge hat. Das heißt: Hier führt jede Geldvermögensbildung direkt zu einer Schuldenerhöhung und nicht nur indirekt über den Entzug von Zahlungsmitteln, die durch Aufschuldung wieder ins System gebracht werden müssen.
Dies ist umso wichtiger, als das Streben nach Geldvermögensbildung nicht nur durch Hortung von Zahlungsmitteln, sondern auch durch die Hortung bloßer Forderungen auf Zahlungsmittel befriedigt werden kann. Wenn A dem B eine Immobilie verkauft, A aber momentan gar keine Zahlungsmittel braucht und sich deshalb mit einer verzinsten Forderung an B “bezahlen” lässt, sind Geldvermögen und Schulden neu entstanden, ohne dass ein Cent an Zahlungsmittel involviert, geschweige denn geschöpft worden wäre.
Das Beispiel lässt sich sogar gänzlich von der Realwirtschaft entkoppeln, indem Sie die Immobilie durch – sagen wir – eine Währungsoption ersetzen, die zwischen zwei großen Finanzmarktteilnehmern außerbörslich vereinbart wird. So entstehen Geldvermögen und Schulden nicht nur ohne Zahlungsmittel, sondern auch ohne realwirtschaftliche Grundlage.
Zuweilen wird unterstellt, dass das Streben nach Geldvermögensbildung nicht unendlich währt, sondern irgendwann in das Gegenteil mündet, in dem man sein Gelvermögen verbraucht. Damit wäre gar kein “ewiger” Wachstumszwang gegeben.
Aber wie realistisch ist das? Wenig: Für juristische Personen, auf die große Teile der Geldvermögensbestände entfallen, ist dies auf jeden Fall die Ausnahme. Und selbst viele natürliche Personen sammeln selbst noch in hohem Alter Geldvermögen an, weil sie es vererben wollen. Wie sollten unter diesen Umständen die Geldvermögensbestände insgesamt fallen? Bisher ist dies jedenfalls nicht einmal in Ländern wie Japan geschehen, die eine schrumpfende Bevölkerung aufweisen.
….
Die o.g. Faktoren, die sich allein auf die Geldvermögensseite beziehen, führen also zum Wachstumsdruck. Noch nicht erwähnt habe ich dabei jene Faktoren, die auf der Schuldenseite wirken. Auch davon gibt es einige. Und wie im Buch erwähnt, wechseln sich im Zeitablauf beide Seiten, also die Geldvermögens- und die Schuldnerseite, als Hauptantriebe ab.