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Denn sie wissen nicht, was sie tun

12. Februar 2019 - Raimund Brichta in Allgemein | 17 Kommentare

In den vergangenen Tagen wurde ich mehrfach gebeten zu präzisieren, warum der von der Fed eingeschlagene Weg der Bilanzkürzung meiner Ansicht nach in eine Sackgasse führt. Diesem Wunsch komme ich hiermit gerne nach:

Kann man von Notenbankern stets erwarten, dass sie wissen, was sie tun? Zweifel daran sind angebracht. Vor allem bei folgendem Vorgehen stochern die Währungshüter weitgehend im Nebel: Sie wissen nicht, ob sie die Bilanzen der Notenbanken wieder schrumpfen lassen können, nachdem diese seit der Finanzkrise stark aufgebläht wurden.

Janet Yellen, Ex-Chefin der amerikanischen Notenbank, tat allerdings so, als ob sie es wüsste. Sie behauptete, die von ihr 2017 angestoßene Schrumpfung der US-Notenbankbilanz werde wahrscheinlich genauso langweilig verlaufen, wie wenn man Farbe beim Trocknen zusehe. Das sollte soviel heißen wie: alles kein Problem.

Ihr Nachfolger Jerome Powell schaute dieser Schrumpfung tatsächlich eine Zeitlang gelangweilt zu. Inzwischen scheinen ihm aber Zweifel zu kommen. Vor Kurzem deutete er zumindest seine Bereitschaft an, beim Schrumpfen auf die Bremse zu treten.

Ob er dies aus Überzeugung tat oder lediglich von den Finanzmärkten dazu getrieben wurde, sei dahingestellt. Nach meiner Einschätzung hätten die Bilanzkürzungen der Notenbanken jedenfalls viel aufregendere Folgen als trocknende Farbe.

Um das zu erkennen, muss man sich vergegenwärtigen, warum die Bilanzen überhaupt erst aufgebläht wurden. Die gängigste Erklärung lautet: Um die Zinsen niedrig zu halten und die Wirtschaft anzukurbeln. Die EZB wiederum nannte als Hauptgrund, sie wolle die Inflationsrate auf nahe 2 Prozent anheben.

Doch egal, welche der gebräuchlichen Begründungen man nimmt, sie treffen alle nicht den Kern und lenken von einem wesentlichen Sachverhalt ab: Der eigentliche Nutzen bestand darin, das Finanzsystem zu stützen, welches durch immer höhere Schulden immer fragiler geworden war. Dies gelang dadurch, dass die Zentralbanken einen Teil der ausstehenden Schulden in ihre Bilanzen übernahmen. Im Gegenzug pumpten sie Zentralbankgeld in die Märkte und sorgten damit für größere Systemsicherheit. Denn das Geld der Zentralbank gilt als einer der sichersten Geldvermögenswerte, die es gibt. Viel sicherer jedenfalls als das Geld, das die Geschäftsbanken ihrerseits ausgeben.

Damit stützten die Zentralbanken das brüchige Fundament eines wackeligen Hauses. Das Haus wurde stabiler.

Die entscheidende Frage ist nun, ob dieser Stabilisator nicht mehr benötigt wird. Nur dann könnten die Notenbanken problemlos ihre Bilanzen schrumpfen. Und nur dann wäre dieser Vorgang tatsächlich so langweilig anzusehen wie Yellen behauptet.

Dies ist aber nicht der Fall. Im Gegenteil: Die Gründe für die Instabilität haben sich sogar verstärkt. Die Verschuldung – Hauptauslöser der Finanzkrise – ist weiter gestiegen. Sie liegt jetzt weltweit mehr als 30 Prozent höher als vor der Krise. Das Haus braucht die Stütze also mehr denn je.

Dazu kommt die Frage, wer überhaupt den weltweiten Schuldenanstieg stoppen könnte, wenn selbst ein so großes Schadensereignis wie die Finanzkrise dies nicht vermocht hat? Auch hier liegt die Antwort auf der Hand: Niemand kann es. Denn unser System basiert darauf, dass die Schulden immer weiter wachsen. Die Hintergründe dafür hatte ich mehrfach beschrieben. Sie sind zum Beispiel hier nachzulesen.

Damit bedarf es keiner hellseherischen Gabe um vorherzusagen, dass die globalen Schulden auch in den nächsten Jahren weiter wachsen werden. Und da wachsende Schulden das System noch fragiler machen werden, wird sogar mehr statt weniger Zentralbankhilfe nötig sein. Im Klartext: Die Bilanzen der Zentralbanken werden in Zukunft eher weiter wachsen statt kleiner werden. Vorübergehende Schrumpfungsversuche lenken allenfalls vom Wesentlichen ab. Spätestens in der nächsten Krise wird es wieder nach oben gehen.

Und Frau Yellen sollte sich lieber mal einen alten Schinken ankucken, statt auf trocknende Farbe zu starren. Zum Beispiel den: „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ – mit James Dean in der Hauptrolle. Darin sieht sie auch, was passiert, wenn man zu spät auf die Bremse tritt,
meint Ihr Kinofreund
Raimund Brichta

17 Kommentare

  1. Dann erklären Sie bitte noch, warum das britische Pfund so alt ist. England war schon schlimmer verschuldet und das Pfund wurde nie wertlos. Ich stimme Ihnen grundsätzlich zu. Aber ich kann das britische Pfund nicht erklären. Es müsste schon lange tot sein. Und England hatte schon Negativzinsen.

    • Ich verstehe zwar nicht, was die Pfund-Historie mit der von mir behandelten aktuellen Frage der Bilanzkürzung von Notenbanken zu tun hat, gebe aber trotzdem gerne eine Antwort auf Ihre Frage.

      Zunächst grundsätzlich: Wenn ein Land seine Währung in die weite Welt hinausträgt, was die Engländer über Jahrhunderte gemacht haben und die Amerikaner seit dem vergangenen Jahrhundert tun, sorgt dies für zusätzliche Nachfrage/Verwendungsmöglichkeiten. Dies ist der Überlebensfähigkeit von vornherein sehr zuträglich.

      Ähnliches gilt, wenn eine Währung als Reservewährung für ander Notenbanken fungiert.

      Dazu kommt der lange gegoltene Goldstandard, der generell dafür sorgt, dass das System aus wachsenden Schulden und wachsendem Geldvermögen immer wieder an Grenzen stößt, was sich in krisenhaften Zusammenbrüchen bemerkbar macht, die das System bereinigen.

      Solche Zusammenbrüche gehören also dazu. Eine Währung kann trotzdem weiter bestehen. Letztes Beispiel dafür war die Weltwirtschaftskrise der 30er-Jahre.

      Durch Aufhebung des Goldstandards wurden die Grenzen allerdings entfernt, so dass das System nun weiter expandieren kann als früher. Geht die Expansion jedoch zu weit, droht auch hier ein Zusammenbruch. Diesem kann wiederum dadurch entgegengewirkt werden, dass die Notenbanken das System stützen, und zwar nun ohne die Schranken des Goldstandards. Beispiel hierfür war die letzte Finanzkrise.

      In den nächsten Krisen wird vermutlich wieder so verfahren, so dass das System nach diesem Muster noch weiter expandieren kann. Ein Ende sehe ich erst dann, wenn zunächst die Finanzmärkte und dann die breite Bevölkerung den Notenbanken das Vertrauen entziehen, weil auch diese sich übernehmen können. Wann das sein wird, kann ich allerdings nicht vorhersehen 😉

  2. Ja, Notenbanken wissen nicht was sie tun…… in den nächsten 2-3 Monaten. Sie fahren auf Sicht, sind lernfähig und lesen in Medien mit.

  3. Hallo Herr Brichta,

    sehen Sie irgendeine Möglichkeit als Vertreter von n-tv ein Interview mit Herrn Draghi (oder z.B. auch Herrn Jens Weidmann oder Herrn Stark oder Herrn Axel Weber) zu initiieren um solche Fragestellungen einmal „von offizieller Seite“ nachzugehen ?

    Es muss ja erlaubt sein, konstruktive Diskussionen zu führen.
    Dann könnte man sich ein Bild davon machen wie solche Leute über dieses Thema denken. Vielleicht wäre es auch ein Interview / Diskussion wert mit Clemens Fuest oder Hans-Werner Sinn.

    Oder falls die EZB (wie die Fed) Fragen bei Ihren Events zulässt, könnten Sie als zugelassener sogenannter Pressevertreter (von n-tv) mal solch eine Frage in den Raum stellen.

    Prominent genug aber auch seriös genug sind Sie ja und dies sollten solche Vertreter auch wissen, dass sie sich auf solch ein(e) Diskussion / Interview einlassen könnten.

    Freundliche Grüße
    Joachim

    P.s.: Was ist aus Ihrer Barzahlung beim Finanzamt geworden ?

    • Eine normale Pressekonferenz eignet sich dafür nicht. Man sitzt da nur unten und kann eine Frage stellen. Draghi sitzt oben und gibt eine Antwort. Zu einer Diskussion kommt es da nicht.

      Etwas Anderes wäre ein Talk auf Augenhöhe und ohne Zeitdruck. Vielleicht gehe ich das Projekt mal an fürs Internet …

      • P.S.
        Meine Klage gegen das Finanzamt wurde vom Hessischen Finanzgericht abgewiesen. Damit haben die Richter das Bargeldverbot bestätigt.

  4. Sicher ist, die Zinsen werden sie nicht erhöhen. Sonst würde der Staatsbankrott folgen.

  5. Friede der gequälten Asche!

  6. Ein umfassender präziser Artikel von Herrn Brichta für die Leserschaft, merci!

    Ja, entscheidend ist, was die Notenbanken tun. Deshalb ergänze ich für die neue Leserschaft die aus meiner Sicht allgemeingültige Kostolany-Formel „Geld + Psychologie = Tendenz“:
    https://www.welt.de/print-welt/article502900/Geld-Psychologie-Tendenz.html

    Prinzipielles Fazit: entscheidend ist, was die Notenbanken tun.

    @Joachim: Mehr als aufklären in einem bestimmten Rahmen dürfen Journalisten nicht mehr. Die Massenberichterstattung obliegt den Medienkonzernen, die wem gehören? Es obliegt somit in der Verantwortung eines jeden einzelnen Bürger, sich umfassen zu informieren und für sich und seine Familie das beste herauszuholen. Quellen gibt es im Internetzeitalter genug. Aber nur die wenigsten informieren sich vielseitig.
    Die „Occupy Wallstreet“-Demonstranten wurden seinerzeit diffamiert.

    In zwei Punkten unterscheidet sich meiner Meinung jedoch von Herrn Brichta:

    1) „Zum Beispiel den: „Denn sie wissen nicht, was sie tun““
    Sie wissen es sehr wohl, agieren aber in den Zwängen ihres Systems. Bei einem Crash gibt es nämlich immer auch Profiteure, nämlich die die vorher ausgestiegen sind und Cash haben.

    2) „Ein Ende sehe ich erst dann, wenn zunächst die Finanzmärkte und dann die breite Bevölkerung den Notenbanken das Vertrauen entziehen, weil auch diese sich übernehmen können. Wann das sein wird, kann ich allerdings nicht vorhersehen 😉“

    Bis dahin ist die breite Bevölkerung völlig verblödet und im Lemming-Modus – sie wird mal wieder vor vollendete Tatsachen gestellt werden.

    • Einspruch: Wann, bitteschön, war die breite Bevölkerung nicht im Lemming-Modus? Das ist der Normalzustand. Die breite Bevölkerung wird immer vor vollendete Tatsachen gestellt.

      • Zu 2: Der Bevölkerung bleibt nichts anderes übrig als den Notenbanken zu vertrauen. Eine negative Berichterstattung werden Sie in den Massenmedien niemals finden. Insofern wird ein Ende des Systems nicht den Notenbanken in die Schuhe geschoben werden.

        Vielmehr wird sich ein anderer Sündenbock gesucht werden, der von den eigentlichen Wirtschaftsproblemen ablenkt. Die Aufrüstung ist ja bereits im vollen Gange.

        Ich habe den Eindruck, dass bis in die 90er hinein die Bevölkerung noch diversifiziertere Meinungen hatte und auch offen diskutiert hat. Damals gab es auch noch eine breitere Vielfalt an Medien.

        Aber lasst uns nicht zu sehr in gesellschaftspolitische Tendenzen diskutieren, sondern auf Wahre Werte und die aktuellen Börsentendenzen beschränken. Interessant finde ich in der medialen Berichterstattung, dass mittlerweile China auch bei uns verstärkt ins Visier genommen wird. Das war vor 2 Jahren noch nicht so. Das Kanzleramt kann es sich eigentlich nicht erlauben, gegen Huawei vorzugehen.

    • @ Michael K.

      „Bei einem Crash gibt es nämlich immer auch Profiteure, nämlich die die vorher ausgestiegen sind und Cash haben.“

      Ob dies auch in Zukunft so sein wird, ist fraglich.

      „IWF-Experten schlagen nun eine Lösung vor – die einer Enteignung von Bargeldbesitzern gleich käme.“

      Siehe hier:
      https://www.welt.de/wirtschaft/article188528229/Bargeld-So-koennte-eine-stille-Enteignung-ueber-Negativzinsen-funktionieren.html

      Wenn sich das durchsetzen sollte, dann ist „Cash“ erledigt.

      • Der Vorschlag mit dem Wechselkurs Bargeld/Buchgeld ist nicht neu. Er gehört schon seit Längerem zum diskutierten Instrumentenkasten.

        Im Prinzip haben Negativzinsen und dieser Vorschlag einen ähnlichen Effekt wie das von Silvio Gesell schon vor hundert Jahren vorgeschlagene Schwundgeld. Also: Alles schon mal dagewesene. Ob‘s tatsächlich kommt, ist ungewiss 😉

    • Diese Währungshüterin scheint lernfähiger zu sein, als ich es vermutet hätte. Sofern Reuters diesen Satz korrekt übersetzt hat, spricht sie darin gleich zweimal vom Ende des Bilanzabbaus. Zuerst redet sie über ihre „Pläne zur Beendigung des Bilanzabflusses“ und dann noch mal vom „Abschluss der Bilanznormalisierung“ – fast schon ein bisschen zu viel des Guten 😉

      “Auf den kommenden Treffen werden wir unsere Pläne zur Beendigung des Bilanzabflusses und zum Abschluss der Bilanznormalisierung finalisieren”, sagte die Präsidentin der Notenbank von Cleveland laut Redetext am Dienstag.

    • Gerne können Sie 100% in Aktien gehen, sofern Sie es nicht bereits sind.

      Vorher sollten sie jedoch die aktuelle Chartformation S&P 500 mit dem Chart aus dem Jahre 2008 vergleichen.

      -> der S&P 500 läuft gerade auf einen Widerstand und die 200-Tages-Line zu…

      Off topic: ein ganz großes Hoch auf Günther Jauch!

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