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Helikoptergeld kommt später

27. Februar 2020 - Raimund Brichta in Allgemein | 16 Kommentare

In Hongkong macht die Regierung jedem Bürger ein Geschenk: umgerechnet knapp 1.200 Euro in bar. Damit will sie negative Folgen der Corona-Krise abfedern. Verschiedene Medien machten daraus die Meldung, Hongkong lasse „Helikoptergeld“ über seine Bürger herabregnen. Diese Bezeichnung ist aber unzutreffend, meine ich.

Denn was die Hongkonger machen, ist zunächst gar nicht so ungewöhnlich. Geldgeschenke von Regierungen an ihre Bürger oder an Unternehmen sind weltweit an der Tagesordnung. Zwar werden damit meistens nur spezielle Gruppen bedacht, beispielsweise die deutschen Bauern nach dem Dürre-Sommer 2018. Oder der Geldsegen wird an Bedingungen geknüpft wie die Abwrackprämie für Altautos in der Finanzkrise 2008 oder zurzeit der Zuschuss für den Kauf von E-Autos. Es kommt aber auch vor, dass Regierungen solche Geschenke an keine oder nur an lasche Bedingungen knüpfen. In der Finanzkrise etwa verschickte die US-Regierung Schecks an alle Bürger mit geringen und mittleren Einkommen. Diese Leute sollten das Geld einfach ausgeben, damit den Konsum ankurbeln und die Wirtschaft stützen.

All diesen Geschenken ist eines gemein: Sie werden aus dem Regierungshaushalt bezahlt. Das heißt, die Regierung finanziert sie aus Rücklagen, Steuereinnahmen oder Krediten. Das ist auch in Hongkong der Fall.

Der Begriff Helikoptergeld, der im Zusammenhang mit dem Hongkonger Geldgeschenk zu lesen war, führt deshalb in die Irre. Denn dieser Begriff wurde im vorigen Jahrhundert von einem bekannten Wirtschaftswissenschaftler geprägt. Er meinte damit Geld, dass die Zentralbank eines Landes aus dem Nichts erschafft und danach an die Bürger verschenkt, es also wie aus Helikoptern aufs Volk herabregnen lässt. So etwas gab es bisher nicht, und so etwas gibt es jetzt auch in Hongkong nicht.

Manch einem mag diese Unterscheidung akademisch vorkommen: Was kümmert es uns, wo das Geld herkommt, das man uns schenkt? Ob es aus dem Staatshaushalt kommt oder direkt aus der Notenpresse der Zentralbank, ist doch egal. Wir können es ausgeben, wofür wir wollen.

Dies mag aus der beschränkten Sicht eines Einzelnen sogar zutreffen. Nicht aber aus Sicht der gesamten Wirtschaft. Für diese spielt es schon eine Rolle, ob die Geldgeschenke regulär finanziert worden sind wie gerade beschrieben oder ob sie per Knopfdruck einfach aus dem Nichts erschaffen werden.

Über Letzteres diskutieren und streiten Experten bisher nur theoretisch. Tatsächlich umgesetzt wurde Helikoptergeld noch nicht. Es wäre ein absolutes Novum und eine Abkehr von allem, was Notenbanken bisher gemacht haben.

Ist Heli-Geld damit ein für allemal auszuschließen? Ich meine nein. Ich rechne sogar fest damit, dass es irgendwann kommt. Aber erst in einer der nächsten Krisen, wenn alle anderen Instrumente ausgeschöpft sind. Mehr dazu hier. Wenn es kommt, wird es etwas vollkommen Neues sein und nichts, über das wir sagen können: Das gab es doch schon.

16 Kommentare

  1. Hallo Herr Brichta,
    ihre Beschreibung des Sachverhaltes führt (zumindest in einem Teilbereich den ich kommentieren möchte ) ebenfalls in die Irre.
    Im Sommer 2018 wurden Dürrehilfen nicht wie sie schreiben an „die deutschen Bauern“ ausgeschüttet. 2,59 % der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland erhielten auf Antrag eine Dürrehilfe.

    • Das empfinde ich aber jetzt als kleinlich. Ich habe selbstverständlich nicht an „alle“ Bauern gemeint. Sonst hätte ich dies ja geschrieben. Mich würde interessieren, ob andere Leser das „die“ als „alle“ interpretieren. Wenn ja, dann streiche ich das „die“ gerne 😂

  2. Helikoptergeld wäre wohl nur dann in nennenswerter Höhe eine Option wenn der Staat nicht mehr in der Lage wäre eben Kredite zu ziehen bzw. die Wirtschaft wohl keine Wertschöpfung mehr hätte. Ich halte das für grundsätzlich möglich eben weil die bisherige “ Wertschöpfung “ uns ja nun die bekannten Probleme und Lasten gebracht haben. Die Wirtschaft müsste sich nachhaltig neu erfinden. Sonst ist wohl der Ausgang offen.
    Was meinen Sie, Herr Brichta?

    • Genau das kann in der Eurozone in einigen Jahren der Fall sein, wenn Sie z.B. an Länder wie Italien denken.

  3. Das Geld erhalten die Konsumenten vom Staat, der es von den Banken erhalten hat, die es (wenn sie es nicht selbst fabriziert haben) von den Notenbanken bekommen haben (die es aus dem Nichts geschaffen haben).

    Das also soll kein Helikopter-Geld sein?…

    • Es ist tatsächlich kein Helikoptergeld – zumindest keines in der Art, wie sie sich Milton Friedman vorstellte, als er 1969 den Begriff prägte. In seinem theoretischen Gedankenspiel meinte er tatsächlich nur Geld, das die Notenbank selbst herstellt und danach mit einem Hubschrauber über einer Gemeinde abwirft.

      Die Geschäftsbanken können zwar ebenfalls Geld produzieren, wie Sie richtig anmerken. Aber dieses Geld werden sie niemals verschenken. Und wenn Sie dem Staat für dessen Geschenke Gekd leihen, wollen sie es von ihm zurückhaben. Das heißt, der Staat muss es sich entweder über Steuern oder Kredite wieder besorgen. Erkennen Sie den Unterschied?

      • 1. Geld, das die Notenbank selbst herstellt und danach mit einem Hubschrauber z. B. über einer Gemeinde abwirft, gibt es selbstverständlich nicht real. Dass es sich um eine bildhafte Beschreibung handelt, ist evident.

        2. In der Realität sind die Hubschrauberpiloten die Regierenden, ihre Besatzungen die Sozialpolitiker, die das von den Notenbanken erzeugte Geld abwerfen.

        3. Betrachtet man die tatsächlichen heutigen Verhältnisse, so ist Folgendes zu konstatieren:

        a) Die Notenbanken produzieren schon heute aus dem Nichts Geld und finanzieren die Staatshaushalte, aus denen u. a. soziale Wohltaten verteilt werden.

        b) Dass die Geschäftsbanken als Aufkäufer der Staatsanleihen fungieren und diese an die Notenbaken weiterreichen, ist unerheblich. Dies dient nur der Verschleierung der (z. T. illegalen) Staatsfinanzierung durch die Zentralbanken sowie der Bereicherung der Geschäftsbanken.

        4. Somit fließt bereits heutzutage das Hokus-pokus-Geld der Notenbanken über den Staat an die Konsumenten.

        5. Diese Mogel-Moneten entsprechen genau dem sogenannten Helikopter-Geld.

        6. Es wird also keinen Einstieg in das Helikopter-Geld geben. Es wird lediglich die Dosis bei dem jetzigen Verfahren erhöht werden.

        7. Wer behauptet, es gäbe zurzeit noch kein Helikopter-Geld, möge bitte konkret darlegen, was sich organisatorisch ändern soll, wenn dies angeblich eingeführt würde.

        Bei dieser Darlegung darf der Helikopter gerne im Hangar bleiben, denn es geht hier um konkrete und nicht mehr nur um bildhaft dargestellte Vorgänge.

        • Widerspruch in fast allen Ihren Punkten:

          1. Nicht real ist lediglich das Bild, dass das Geld aus Hubschraubern abgeworfen wird. Im übertragenen Sinne dagegen dürfte es irgendwann Realität werden. Dann wird das Geld auf Konten oder in elektronische Geldbörsen der Bürger überwiesen.

          2. Ein solches Bild können Sie gerne verwenden.

          3. a) Die Staatshaushalte wurden bis zur Finanzkrise nahezu ausschließlich von den GESCHÄFTSbanken finanziert (mit deren Geld) und nicht von den Notenbanken. Das Geld der Notenbanken spielte bis dahin kaum eine Rolle. Es diente den Geschäftsbanken lediglich als ein letzter Notgroschen. Inzwischen können allerdings die Geschäftsbanken nicht mehr ohne das Geld der Notenbanken auskommen. Insofern sind auch die Notenbanken für die Staatsfinanzierung wichtiger geworden. Es bleibt aber (noch) dabei, dass der Staat die Kredite zurückzahlen muss. Deshalb ist das bisher umlaufende Geld kein Helikoptergeld im beschriebenen Sinne.

          b) Dass die Notenbanken in großem Stil Staatsanleihen kaufen, ist erst sei der Finanzkrise der Fall. Vorher gab es das kaum. Damit landet dieser Teil der Staatsschulden jetzt zwar bei der Notenbank, Helikoptergeld ist das damit erzeugte Geld aber trotzdem noch nicht. Denn noch bestehen die Notenbanken darauf, dass die Anleihen zurückgezahlt werden. Erst wenn eine Notenbank auf die Tilgung verzichtet und dem Staat damit die Schulden erlässt, könnte man von einer Art Helikoptergeld sprechen. Aber soweit ist es noch nicht. Deshalb bitte ich, solche Unterschiede stets korrekt zu berücksichtigen.

          4. Sämtliches „Hokus-pukus-Geld“ der Notenbanken ist immer noch mit Forderungen gedeckt. Es ist deshalb kein pures Hokus-pokes-Geld. Ihm steht nämlich der Wert der Forderungen als Sicherheit gegenüber. Sollten diese Sicherheiten (also die Forderungen) in größerem Stil ausfallen, müssten die Notenbanken dafür mit ihren Reserven gerade stehen. Reichen diese Sicherheiten nicht mehr aus, könnte auch eine Notenbank pleite gehen. Dies würde man dann aber nicht so nennen. Man würde es eher als Währungsreform o.ä. bezeichnen.

          5. Dass dies NICHT so ist, habe ich gerade erklärt. Es ist etwas anderes als das Helikopter-Geld, das Milton Friedman gemeint hat. (Unabhängig davon dessen dürfen Sie es natürlich gerne für sich persönlich als Helikoptergeld bezeichnen. Die Gedanken sind schließlich frei. Sie sollten aber nicht behaupten, dass es dasselbe sei.)

          6. Nein, es wird ein vollkommen anderes Verfahren sein.

          7. Das habe ich gerade ausführlich erläutert.

          • „Erst wenn eine Notenbank auf die Tilgung verzichtet und dem Staat damit die Schulden erlässt, könnte man von einer Art Helikoptergeld sprechen.“

            Das ist eine klare Definition.

            Ich bedanke mich für die Bemühungen!

          • 👍

  4. Italien ?…ich sehe die Entwicklung leider bei allen Ländern dieser Welt.Leider können mich die Zahlen und News bzgl Nachhaltigkeit noch so gar nicht überzeugen. Wenn Trump zb.den Klimawandel umfassend einräumen würde dann müsste er allen voran die Wirtschaft in die Verantwortung nehmen. Wenn die Ergebnisse aber nicht schnell überzeugen würden dann hätte nicht nur Amerika sondern die ganze Welt ein Problem. Aber ein ganz gewaltiges. So wie bisher ginge es nicht mehr und anders eben auch nicht. Und das in den USA??? Ein viel zu hohes Risiko.
    Es ist ja ein Unterschied ob Unternehmen Veränderungsbedarf einräumen oder ob es die Regierung tut.
    Helikoptergeld wäre vor diesem Hintergrund, könnte man es so sehen, nix als Papier.
    Nun, wünschen wir das beste…

    • Freilich können längerfristig auch andere Länder in die Bredouille geraten – selbst die USA und auch der Musterknabe Deutschland. Ich habe Italien nur als Beispiel genannt, weil dies dort früher der Fall sein dürfte.

      Ein Szenario könnte wie folgt aussehen: Wegen Italien und Co gibt es Helikoptergeld. Langfristig geraten damit die Notenbanken und die hinter ihnen stehenden Regierungen in die Bredouille, danach folgt die Währungsreform.

  5. Danke für Ihre Antwort.Tja,ne Währungsreform. Mir scheint eher das Problem zu sein das wir, um ehrlich zu sein, zu schädlich leben. Ne Währungsreform lässt die Meere auch nicht auf einmal plastikfrei & werden,hält nicht den Klimawandel auf etc. Und das sind ja heute die Probleme. Und wenn nicht in geregelten Zeiten und Verhältnissen, wann dann ? In der Notlage ? Nun also brechen uns die Fundamente weg.Ich denke wir brauchen mehr noch als die Politik, Geldpolitik, die Forschung und Wissenschaft die uns Alternativen liefern muss eben Produkte und Produktion endlich weniger bis gar nicht mehr schädlich zu produzieren, schlicht die Alternativen zu allem zu schaffen was heute zunehmend untragbar belastet. Und zwar mit Power um Vergangenheit zu schultern, Gegenwart zu ermöglichen und Zukunft zu gewährleisten.
    Das ist ja nicht allein eine Geldfrage und ich bin mir sicher das es handfeste Gründe hat warum man da nie groß daran gegangen ist und nur immer weiter Spielräume um die( immer größer werdenden) Probleme drum herum geschaffen hat.
    Wir wollen mal hoffen dass das noch, möglichst bald, geleistet werden kann. Sonst wäre wahrscheinlich auch Bildung und Wissenschaft von einer gewissen Wertlosigkeit bedroht.
    Leider ist Geld letztlich nur Papier. Wenn dahinter nix mehr steht was zumindest noch irgendwie Zukunft verspricht wird’s unangenehm.

    • Ich sehe da durchaus gemeinsame Anknüpfungspunkte: Das Achten auf die Nachhaltigkeit unserer Lebensführung (Umwelt, Soziales etc.) wird durch uns ergänzt durch die Analyse der Nachhaltigkeit unseres Geldsystems. Dabei bin ich zu dem eindeutigen Schluss gekommen, dass unser Geldsystem nicht nachhaltig ist. Auf die Konsequenzen daraus bereite ich uns vor.

  6. Es ist richtig, in Deutschland bekommt Rente, Hartz 4
    oder Grundsicherung.
    Aber das ist für die meisten Menschen ein Tropfen
    auf den heissen Stein.
    Da würde ein zusätzlicher Geldregen gut tun.
    Wir machne sonst doch alles mit was in der USA
    geschieht, warum nicht auch das.

  7. Geld, das verschenkt wird verliert ihren eigentlichen Wert. Ob es nun „Helikoptergeld“ heißt oder einen anderen Namen trägt. Wert entsteht durch Leistung/Gegenleistung.
    Geld, ohne Gegenwert/-Leistung instrumentalisiert sich als
    Inflationsantreiber. Oder auch als Deflationantreiber der Volkswirtschaft. Verschenktes Geld, selbst wenn es wieder in den Wirtschaftskreislauf einfließt, wird ungesteuert ausgegeben. Daher sind Senkungen von bisher erhobenen Staatseinnahmen wie Steuern oder Erhöhungen von Kindergeld etc. steuerbare Investitionen mit Wertzuwachs.

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