„WER SEHEN WILL, DER SIEHT“
15. Juli 2019 - Raimund Brichta in Allgemein | 35 Kommentare
Der Ärger über die Negativzinsen wächst. Auch immer mehr Journalistenkollegen empören sich über die Notenbanken, denen sie die Schuld daran geben.
Heute zum Beispiel der Kollege Gabor Steingart. „Wer sehen will, der sieht“, schreibt er in seinem Morning Briefing, in dem er Politikern und Notenbankchefs vorwirft, die zurückliegende Finanzkrise zu bekämpfen, indem sie die nächste vorbereiten. Ein imaginäres „schwarzes Loch“ drohe die Guthaben der Sparer zu verschlucken, wenn nicht gegengesteuert werde.
Die eine Seite der Analyse ist durchaus richtig. Die andere aber nicht. Denn wie andere Kritiker übersieht auch Steingart, dass genau jene Guthaben der Sparer ein wesentlicher Teil des Problems sind – nicht nur ein Opfer. Sparguthaben und Schulden sind zwei Seiten derselben Medaille. Jedem Guthaben steht eine Schuld gegenüber. Beide tragen gleichermaßen dazu bei, dass unser Finanzsystem dem schwarzen Loch entgegendriftet. Und die Aufgabe der Politiker und Notenbankchefs besteht darin, den Aufprall so lange wie möglich hinauszuzögern.
Steingart schreibt:
► Mittlerweile sind 25 Prozent der weltweiten Staatsschulden mit Negativzins versehen, womit die Staaten einen echten Anreiz erhalten, die Verschuldung weiter in die Höhe zu treiben, was sie auch tun.
Das ist eine einseitige Betrachtung. Auf der anderen Seite sind nämlich Negativzinsen ganz und gar kein Anreiz für Sparer, ihre Ersparnisse in die Höhe zu treiben. Sie tun sie es aber trotzdem. Denn in gleichem Maße wie die Schulden steigen, steigen auch die Geldvermögen.
Tatsächlich werden sowohl Schulden als Geldvermögen seit jeher stets in die Höhe getrieben – unabhängig davon, ob es Negativzinsen gibt.
Im Übrigen sind diejenigen Staaten, die von Negativzinsen profitieren wie Deutschland und die Schweiz, noch das geringere Problem. Sie treiben ihre Schulden viel weniger in die Höhe als andere. Gerade deshalb sind sie unter Sparen so heiß begehrt.
Steingart schreibt weiter:
► Der deutsche Staat beispielsweise zahlt kein Geld mehr für seine Schulden, sondern bekommt welches dazu: zwei Euro pro 1000 Euro, die ihm über zehn Jahre geliehen werden. Die Investoren sind angesichts der zu erwartenden Turbulenzen an den Finanzmärkten schon froh, wenn sie mit dieser Art Depotgebühr davonkommen.
Die zu erwartenden Turbulenzen an den Finanzmärkten sind aber keine Folge der Negativzinsen. Die Turbulenzen kommen sowieso. Die Negativzinsen sind allenfalls ein Vorbote.
Steingart schreibt weiter:
► Die Sparer andererseits werden für die Bereitstellung des Sparkapitals nicht mehr länger belohnt, sondern bestraft. Weil die Renditen für Spareinlagen unter der Inflationsrate liegen, kommt es zur finanziellen Regression, also der Verdampfung von Geldvermögen. Schon ein Nominalzins auf Spareinlagen von 0,3 Prozent führt bei einer Inflationsrate von 1,6 Prozent zu einem Realzins von minus 1,3 Prozent.
Dass Sparer nicht mehr belohnt werden, liegt ganz einfach daran, dass sie inzwischen so viel Geld angehäuft haben. Damit ist das Angebot an Geldvermögen so groß, dass der Preis dafür sinkt. Und der Preis fürs Geld ist der Zins. So einfach ist das. Wer als Schuldner bei den Sparern besonders begehrt ist, kann es sich sogar leisten, Parkgebühren dafür zu verlangen.
Fazit: Nur wer sehen kann, der sieht.
>>>Zitat Hr. Brichta: Dass Sparer nicht mehr belohnt werden, liegt ganz einfach daran, dass sie inzwischen so viel Geld angehäuft haben. Damit ist das Angebot an Geldvermögen so groß, dass der Preis dafür sinkt. Und der Preis fürs Geld ist der Zins. So einfach ist das. Wer als Schuldner bei den Sparern besonders begehrt ist, kann es sich sogar leisten, Parkgebühren dafür zu verlangen.
Fazit: Nur wer sehen kann, der sieht.<<<
Bei G.Steingarts Info-mail hatte ich eher diesen Eindruck und formuliere daraus abgeleitet mal folgendes Fazit: Nur wer Augen hat, der sieht.
Zum Glück haben Sie als Mann des Geldes Steingarts verbale Peinlichkeiten zum Thema Nullzins in Ihrer Gegenrede geradegerückt. Danke dafür.
Also doch noch einen Sportwagen kaufen 🙂
„Damit ist das Angebot an Geldvermögen so groß, daß der Preis dafür sinkt.“ Der Preis für die Ãœberlassung von Geld sind die Realzinsen. Die Realzinsen waren bereits in der Vergangenheit, in früheren Jahrzehnten deutlich negativ, also in Zeiträumen, in denen das Geldvermögen glaeubigerseits noch nicht so hoch war.Eine ähnliche Diskussion hatten wir insoweit schon mal. Damals waren nach Ihrer Ansicht der böse Herr Draghi und die EZB ursächlich schuld….jetzt die Höhe des Geldvermögens, welche die Gläubiger angespart haben.
Quatsch, Draghi und Co waren daran nie Schuld. Die Tendenz zu sinkenden Zinsen hält auch schon seit Jahrzehnten an. Und selbstverständlich spielt das Geldvermögensangebot insofern auch schon seit Jahrzehnten eine Rolle.
Der Realzins ist dabei nur eine Restgröße, die hauptsächlich im Nachhinein festgestellt werden kann. Denn wenn Sie jetzt Geld für – sagen wir – zehn Jahre ausleihen, müssten Sie wissen, wie hoch die – ihrerseits schwankende – Inflationsrate über den gesamten Ausleihezeitraum hinweg ist. Das wissen Sie aber nicht. Der tatsächliche Realzins lässt sich also immer erst am Ende eines Anlagezeitraums ermitteln. Fest steht zu Beginn nur der Nominalzins.
Freue mich, dass Sie Ihre zugespitzten, diskussionsfördernden Ansichten über Herrn Draghi klarstellen. Bei den Realzinsen kommt es nicht nur auf die ungewisse Zukunft, sondern auch auf die Gegenwart an. Diese könnten die Sparer durchaus beurteilen. Fakt bleibt, daß die Realzinsen, für mich der objektive Preis für die Geldüberlassung, seit Jahrzehnten tlws. negativ waren. Der Sparer von Geld wird seit über 50 Jahren betrogen.
Ups, welche meiner „Ansichten über Draghi“ meinen Sie denn? In meinem Beitrag hatte ich sinngemäß geschrieben, dass er – wie alle anderen Notenbanker – nur ein Getriebener dieses Systems ist. Daran gibt es nichts klarzustellen.
Sorry, das Wetter ist zu schön, um lange nach Ihren Äußerungen zu suchen. Es ging nach meiner Erinnerung um eine Vergnuegungeise auf dem Rhein, die Sie in Begleitung bzw. Anwesenheit mehrerer Damen unternahmen und die am Gebäude der EZB vorbeifuerte. Die Damen klagten über das Zinsniveau und Sie machten nach meiner Erinnerung Herrn Draghi,evtl. nach vorheriger Einnahme von Drogen (Sekt), dafür verantwortlich. Sollte mich meine Erinnerung täuschen, nehme ich alle diesbezueglichen Äußerungen mit Bedauern zurück. Herzlichst😇
Zunächst einmal: gute Erinnerung!
Allerdings ist es nicht der Rhein, der am EZB-Tower vorbeiführt, sondern der Main 😉
Mein zweiter Einspruch bezieht sich darauf, dass Sie in folgendem Satz das „Sie“ groß schreiben:
„Die Damen klagten über das Zinsniveau und Sie machten nach meiner Erinnerung Herrn Draghi,evtl. nach vorheriger Einnahme von Drogen (Sekt), dafür verantwortlich.“
„Sie“ groß geschrieben, bedeutet in diesem Zusammenhang offensichtlich, dass ICH Draghi dafür verantwortlich gemacht haben soll. Das ist aber nicht richtig, sondern es waren die Damen, die dies taten. Ich hatte also nur zitiert, um deutlich zu machen, wie die Stimmung in der Bevölkerung ist.
Dass ich Draghi verantwortlich machen könnte, verbietet sich aus allem, was ich bisher zu den Niedrig- und Negativzinsen geschrieben habe, auch schon im Buch „Die Wahrheit über Geld“.
„Das sind Strafzinsen durch die Hintertür und für die ist EZB-Chef Draghi verantwortlich.“ Originalzitat Raimund Brichta
Vermutlich fällt es Ihnen schwer, so zu differenzieren, wie ich es tue.
Also: Erstens war dies nicht das Schiffserlebnis auf dem Main.
Und zweitens schrieb ich damals bewusst „Strafzinsen durch die Hintertür“ und nicht von Strafzinsen, die offensichtlich sind. Warum wohl? Ganz einfach: Weil ich mich auf die KOMBINATION bezog aus Nullzinsen und 2% Inflation. Draghi trägt sein Inflationsziel von 2% ja wie eine Monstranz vor sich her, was ich für Mumpitz halte. Wieso sollten 1% oder 0% Inflation schlecht sein? Das ist es, wofür ich ihn für verantwortlich halte. In Kombination mit dem niedrigen Zins, den er – wie erläutert – auch nur verwaltet, aber keineswegs herbeigeführt hat, ergibt sich dann der Strafzins durch die Hintertür.
Wenn Sie meinen ganzen Kurzkommentar von damals lesen, werden Sie auch merken, dass dieser sich an der damals aktuellen Inflationsrate von 2% aufhängt und die Nullzinsen danach nur dazuzieht.
Wenn ich noch weiter in die Tiefe gehe, würde ich zwar feststellen, dass Draghi auch an der Inflationsrate nicht viel ausrichten kann. Auch die bildet sich im Großen und Ganzen ohne wesentliches Zutun der Notenbank aus. Aber Draghi BEHAUPTET zumindest, dass er sie beeinflussen kann. Die 2% waren ja sein wesentliches Argument, mit dem er das Anleihekaufprogramm begründete. Folglich muss er zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung dafür die Verantwortung übernehmen. Das ist halt sein Pech 😉
Sie sehen: Nur wer alles sehen kann, der sieht wirklich 😉
„Also erstens war das nicht das Schiffserlebnis auf dem Main“ Unter der Ãœberschrift: Strafzinsen für alle haben Sie seinerzeit nicht nur die Verantwortlichkeit von Herrn Draghi, sondern auch die Dampferfahrt geschildert. Wer lesen kann, der lese….
Ja, aber doch nicht in dem Artikel, aus dem Sie mich zitierten. Sondern auf die Schifffahrt bin ich nur in der anschließenden Diskussion eingegangen. Das sind schon zwei paar Schuhe.
Passen dazu die aktuellen Zahlen der Bundesbank:
Die Geldvermögen in Deutschland sind im ersten Quartal um 153 Milliarden auf 6,17 Billionen Euro gestiegen – und damit so deutlich wie lange nicht mehr.
Von den Ersparnissen floss ein großer Teil auf Giro- und Tagesgeldkonten. Erstmals seit vier Jahren verzeichnet die Bundesbank aber auch wieder Nettozuflüsse auf Spareinlagen und Sparbriefe, obwohl die Zinsen dafür weiter sinken. Insgesamt 40 Prozent ihrer Vermögen und damit rund 2,5 Billionen Euro verwahren die Deutschen auf (nahezu) zinslosen Konten oder in bar. Fast ebenso hoch sind die Ersparnisse in Lebens- und Rentenversicherungen.
Dass man Schulden nur bei jemandem machen kann, der Geld übrig hat und zum Verleih bereit ist, kann als bekannt vorausgesetzt werden (nur nicht bei denen, die an eine „Geldschöpfung der Geschäftsbanken“ glauben, und nur deshalb wurde dieser Mythos in die Welt gesetzt). Weniger bekannt ist dagegen, dass dieses leihweise Aufnehmen überschüssiger Geldmittel nicht nur möglich, sondern in jeder Volkswirtschaft zwingend notwendig ist. Denn ohne deren Rückführung über Kredite würde die in den Ersparnissen angesammelte Kaufkraft in der Wirtschaft fehlen! Als Folge käme es nicht nur zu Unterbrechungen des Geldumlaufs, sondern in gleicher Höhe auch zu Nachfrageausfällen. Und das könnte letztlich sogar jene Leistung betreffen, die der Sparer selbst in den Markt eingebracht, aber nicht durch eigene Nachfrage ausgeglichen hat.
Normalerweise werden solche Ersparnisbildungen durch die Kreditaufnahmen anderer Wirtschaftsteilnehmer wieder zu nachfragewirksamer Kaufkraft, vor allem über Investitionen der Unternehmen. Gehen jedoch die Ersparnisbildungen über deren Bedarf hinaus, dann versucht man, nicht zuletzt durch exzessive Ausweitungen der Werbung, die Privathaushalte zum Kauf auf Pump anzuregen, wie das seit den 1960er Jahren – mit Hilfe der aus den USA importierten ersten „Kundenkreditbank“ – zunehmend üblich wurde. Da aber auch dieser Ausweg seine Grenzen hatte und die Geldvermögen immer weiter und rascher zunahmen, blieben schließlich nur noch die Staaten zur Schließung der Kreislauf-Lücken übrig. Denn die Politik ist an einer funktionierenden und möglichst ständig wachsenden Wirtschaft nicht nur im Hinblick auf die Steuereinnahmen interessiert, sondern ebenfalls mit Blick auf die nächsten Wahlen, und das lässt sie großzügig Kredite aufnehmen.
Diese Zusammenhänge zwischen Ersparnisbildungen und Staatsverschuldungen hat der Wirtschaftswissenschaftler Rüdiger Pohl, viele Jahre Mitglied des Sachverständigenrates, bereits am 11. Dez. 1987 in der Wochenzeitung „Die Zeit“ beschrieben:
„Wohlgemerkt: Staatliche Kreditaufnahme ist kein Selbstzweck. Aber wenn – wie heute in der Bundesrepublik – das Kapitalangebot aus privaten Ersparnissen steigt, gleichzeitig die Kapitalnachfrage … der Unternehmen wegen der schwachen Investitionsneigung gering bleibt, dann muss der Staat das am Markt entstehende Kapitalüberangebot aufnehmen, weil anderenfalls eine deflationäre Wirtschaftsentwicklung einsetzen würde.“
Nach den Gesetzmäßigkeiten unseres heutigen Geldsystems sind alle Staaten zu Schuldenausweitungen gezwungen! Und sie können diese Schuldenaufnahmen nur dann abbremsen oder gar abbauen, wenn Unternehmen oder Privathaushalte ihre Kreditaufnahmen ausweiten würden. Denn geschieht dies nicht in ausreichendem Umfang, dann fehlt dieses Geld im Kreislauf und die Besitzer der zinsbedingt weiter wuchernden Geldvermögensmassen versuchen zunehmend, ihre Gewinne über fragwürdige Finanzanlagen und Spekulationsgeschäfte hereinzuholen. Mit welchen Folgen das wiederum verbunden ist, haben wir in den letzten zehn Jahren erlebt.
https://opium-des-volkes.blogspot.com/…/schuldenbremse…
Genau so ist es: In unserem Geldsystem MÜSSEN Geldvermögen und Schulden stets steigen. In reifen Volkswirtschaften kann das Wirtschaftswachstum dabei selbstverständlich irgendwann nicht mehr mithalten. In dieser Phase sind wir bereits. Nun klaffen Geldvermögens- und Schuldenwachstum auf der einen Seite und Wirtschaftswachstum auf der anderen zunehmend auseinander. Das ist systembedingt und kann innerhalb des Systems auch nicht geändert werden. Deshalb steuert das System aufs schwarze Loch zu. Und anders als Steingart und Co es vermuten, sind daran NICHT Politiker und Notenbänker Schuld.
Sehe ich nicht so. Die Einkommensverteilung könnte geändert werden. Im Moment ist Besitz und Vererbung das wichtigste im Leben und hat nichts mit Leistung zu tun. Einkommensverteilungen sind aber Machtfragen. Das Problem wäre dann aber, dass die Hohenzollern auch mal arbeiten müssten. Und das will keiner. Die Schulden könnten also fallen, wenn wir Besitzvererbung nicht so privilegiert wäre.
Nur das will niemand. Schulden und Geldvermögen müssen also nicht unabdingbar steigen, nur wenn man Besitzvererbung besonders schützt. Und das tun wir.
Um in Deutschland gut da zu stehen, muss man entweder den Richtigen gut vögeln können oder reich geboren werden. Leistung hat nur in 2 Prozent aller Fälle eine Auswirkung. Wenn überhaupt.
Und das ist der Kontraansatz: Es gilt nur solange, solange Besitz privilegiert ist. Wenn man Vererbung anders besteuern würde, müssten vielleicht Menschen arbeiten, die es heute nicht müssen, aber vielleicht müssten dann auch nicht so viele um eine Mindestrente betteln.
Nein, ich bin kein Kommunist. Aber Erben auch auch nichts mit Leitung zu tun.
Darin sehe ich überhaupt keinen Widerspruch zu dem, was ich schrieb. Ich merkte lediglich an, dass dies innerhalb unseres bestehenden Systems nicht geändert werden kann. Wenn Sie das System ändern, zum Beispiel unsere geltenden Rechtsnormen, kann das anders sein. Dabei dürften Sie aber nicht nur das Vererben verbieten, sondern Sie müssten im Todesfall das Geldvermögen und die ihm gegenüberstehenden Schulden vernichten. Das Geldvermögen nur zu verlagern, etwa auf den Staat, brächte für die hier betrachtete Problemstik nichts, weil dann Vermögen und Schulden weiter bestehen. Also all jenen die Schulden streichen, die das Glück haben, bei jemanden in der Kreide zu stehen, der gerade gestorbener ist? Und was machen Sie mit den Schulden eines Verstorbenen? Die dürften dann ja auch nicht vererbt, sondern müssten gestrichen werden. Und was machen Sie mit dem Geldvermögen „unsterblicher“ Stiftungen, Unternehmen und anderer juristischer Personen?
Allzu ernsthaft brauchen wir uns damit hier aber nicht zu beschäftigen. Denn mir geht es stets darum abzuschätzen, was voraussichtlich passieren wird und nicht darum, was sich der ein oder andere wünschen mag. Nach meiner Einschätzung wird es zu solchen oder ähnlichen Umwälzungen in den nächsten Jahrzehnten nicht kommen.
Natürlich muss bei jeder Erbschaft erstmal jede Schuld beglichen werden. Sollte eine Erbschaft negativ sein, kann man das Erbe ausschlagen. Dann werden Schulden und damit verbundene Vermögen gestrichen.
Sollte der Staat Vermögen erben/bekommen, kann er damit eigene Schulden begleichen. Schulden und Vermögen verschwinden.
Und natürlich brauchen wir uns damit vermutlich nicht so sehr zu beschäftigen.
Wenn die nächste Krise kommt, wird das Zinsniveau einfach um 3 Prozent nachhaltig gesenkt und die Party geht weiter.
Oder die Notenbanken kaufen einfach alles auf, Schulden und Aktien und machen Karl Marx zum letzten ernstzunehmenden Wirtschaftswissenschaftler. Wieso kam er nur nicht darauf, dass Kommunismus über die Notenbanken erreicht werden könnte?
Das mit dem Vererben negativen Vermögens (=Schulden) wird allerdings dann ein Problem, wenn das Vererben positiven Vermögens gleichzeitig ausgeschlossen wird. Denn auch eine künftige Rechtsnorm müsste konsistent sein. Entweder positive und negative Vermögen sind gleichermaßen vererbbar, oder sie sind es beide nicht.
„Sollte der Staat Vermögen erben/bekommen, kann er damit eigene Schulden begleichen. Schulden und Vermögen verschwinden.“
Wenn der Staat Geldvermögen erbt, also Forderungen, ändert sich erst einmal gar nichts. Forderungen und Schulden bleiben insgesamt gleich hoch. Nur der Gläubiger wechselt. Mit diesen Forderungen kann der Staat auch zunächst keine eigenen Schulden tilgen. Dies wäre erst möglich, wenn der Schuldner seinerseits getilgt hat. Aber auch dadurch wird kein Geldvermögen vernichtet. Denn der Schuldner muss für die Tilgung an Geld kommen, das dadurch entstanden ist, dass sich ein anderer verschuldet hat. All die Schuldentilgungen funktionieren gesamtwirtschaftlich gesehen also nur nach dem Prinzip rechte Tasche / linke Tasche. Dadurch wird kein Geldvermögen vernichtet. Ich weiß, dass dies auf den ersten Blick nicht gleich ersichtlich wird, aber es ist so.
Geldvermögen wird nur dann vernichtet, wenn Schuldner pleite gehen oder wenn ihnen Schulden erlassen werden. Nur dann nämlich werden Geldvermögen und Schulden auf beiden Seiten der gesamtwirtschaftlichen Bilanz gestrichen.
Und da dies in größerem Umfang im gegenwärtigen System nicht passieren darf (es wäre mit heftigen monetären Krisen bzw. Zusammenbrüchen verbunden), wird genau das passieren, was Sie im zweiten Teil beschreiben: Die Notenbanken werden notfalls alles auf ihre Bilanzen nehmen, was nicht niet und nagelfest ist, um den Zusammenbruch zu verhindern. Erst wenn auch die Notenbanken und die hinter ihnen stehenden Staaten in die Bredouille geraten, wird das System mit einer Währungsreform neu aufgestellt.
„Der Ärger über die Negativzinsen wächst.“
Allein dieser Eingangssatz ist falsch. Ich persönlich kenne keine einzige Person, die sich über dieses Thema ärgert.
Ganz einfach:
Vermögende Menschen haben nicht nur ein fettes Nullzins-Tagesgeldkonto, sondern vermieten ihre Immobilien (neben dem abbezahlten Haus), haben ein schönes Aktiendepot etc.
Die Nullzinsen auf dem Tagesgeldkonto fallen im Vergleich zu exorbitant steigenden Mieteinnahmen und Aktiengewinnen dank Notenbank-Vollkaskopolitik in der Gesamtbetrachtung nicht ins Gewicht. Die aktuellen Zahlen der Bundesbank bestätigen dies.
Tja, und die ganzen jungen Arbeitnehmer sind damit beschäftigt, horrende Preise für Mietskasernen oder 700k-Eigentumswohnungen zu zahlen – deren Tagesgeldkonto ist beschaulich. Malle ist nur einmal im Jahr.
Jetzt dürfen alle zusammen in Deutschland auch noch das Klima retten und eine CO2-Steuer zahlen…obwohl sie bis diese Woche für den Fiskus malocht haben. Darüber ärgert sich interessanterweise niemand in Deutschland.
Ein stark sinkendes Bildungsniveau und das Ausbleiben von objektiv geführten Debatten sind das eigentliche Problem, die zeitversetzt zum wirtschaftlichen Niedergang führen wird.
Wenigstens gibt es noch ein paar Journalisten der Generation 50+, die durch Eigeninitiative Debatten fördern. Vielen Dank!;-)
Sie schreiben:
„Der Ärger über die Negativzinsen wächst.“
Allein dieser Eingangssatz ist falsch.
Da frage ich mich gerade, in welcher Welt Sie leben? Der zitierte Steingart-Artikel ist doch das beste Beispiel dafür. Und es ist nur ein Beispiel unter vielen. Googeln Sie vielleicht mal ein bisschen, und dann sprechen wir noch mal drüber 😉
Ich lebe in der realen Welt inmitten von realen Menschen.
Natürlich setzen Journalisten (besser gesagt: die Chefredakteure bzw. Besitzer der Medienkonzerne) die Themen in die Medienlandschaft – naturgemäß mit einem politischen Ziel.
Die Nullzinsthematik interessiert aber fast niemanden aus der realen Welt – oder kennen Sie irgendwelche Anti-Nullzinsdemonstrationen in Berlin, Paris oder Barcelona?
Die Gründe habe ich Ihnen genannt:
– Wer Vermögen besitzt, hat vielseitige passive Einkünfte und kann die Nullzinspolitik verkraften (er profitiert eher davon)
– Wer Schulden hat und/oder Normalverdiener ist, hat wenig auf dem Tagesgeldkonto.
Deshalb ist der Ärger in der Gesamtbevölkerung über die Negativzinsen so groß wie wenn in China ein Sack Reis umfällt.
Ãœbrigens habe ich Ihren Ratschlag befolgt und tatsächlich „Steingart“ gegoogelt; ich finde seinen Artikel zu China (Schuldenorgie oder Wirtschaftskrise: Trump hat China in die Falle gelockt) sehr spannend:
https://www.focus.de/finanzen/boerse/experten/gastbeitrag-von-gabor-steingart-nach-erbittertem-handelskrieg-jetzt-hat-trump-china-in-der-falle_id_10929607.html
Da muss ich Ihnen erneut widersprechen: Nicht nur in den Medien, sondern auch in meinem persönlichen Umfeld registriere ich zuhauf Beschwerden darüber, dass es keine Zinsen mehr fürs Geld gibt. Über ein persönliches Erlebnis während einer Main-Dampferfahrt am EZB-Tower vorbei hatte ich sogar in diesem Blog berichtet. Peter hat sich daran in seinem Kommentar gerade erinnert.
Dass es keine Demos gegen Nullzinsen gibt, ändert daran nix. Sparer gehören grundsätzlich nicht zur Gilde derer, die auf die Straße gegen.
Sie scheinen wirklich in einer anderen Welt zu leben, als ich 😉
Klar gibt’s Ärger in großen Teilen der Bevölkerung über die Nullzinsen.
Wir leben beide in der selben Welt und im selben Land…;-)
…vielleicht liegt es daran, dass Sie eine Generation älter sind. Ich kann mir gut vorstellen dass die Generation „Main-Dampferfahrt“ mit Aktien fast nichts am Hut hat und demzufolge kaum Kapitaleinkünfte erzielt. Die kennen nur das Geldsparen, demzufolge ist deren Ärger nachvollziehbar. Allerdings kommt man mit ärgern nicht weiter. Jeder hat Zugang zu Informationen und Bildung.
Einem Menschen mit einem großen Aktiendepot plus Mieteinnahmen, der sich dann noch ärgert, dass das Tagesgeldkonto keine Zinsen mehr abwirft, ist nicht mehr zu helfen. Um solche Zeitgenossen mache ich perönlich einen Bogen – zu negativ und Ich-Bezogen.
Gold: 1.421$
Das liegt überhaupt nicht am Altersunterschied. Auch jüngere Zeitgenossen, mit denen ich oft zusammenkomme, ärgern sich darüber. Sie fragen mich dann, was sie tun sollen, und ich erzähle ihnen was von Sparplänen in Aktienfonds 😉
Wenn ein angesehener, aber ältlicher VWL-Professor behauptet, dass die Weltwirtschaft in Kürze zusammenbricht, hat er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit recht. Wenn er behauptet, dass der Zusammenbruch weniger schlimm wird als der vorhergehende, hat er höchstwahrscheinlich unrecht.
„Die Ursache für das Sinken des Zinsfußes wird vorzüglich darin gefunden, dass die besonders rentablen Kapitalanlagen großen Maßstabes heute erschöpft sind und nur Unternehmungen von geringer Ergiebigkeit übrig bleiben. …Nur ein allgemeiner europäischer Krieg könnte dieser Entwicklung Halt gebieten durch die ungeheure Kapitalzerstörung, welche er bedeutet.“
Dieses Zitat aus der Zeitschrift des Sparkassenverbandes von 1891 macht deutlich, dass für den im „Unrechtsbewusstsein“ agierenden Kulturmenschen des zivilisatorischen Mittelalters der Kapitalertrag wichtiger ist als alles andere, auch wenn damit der nächste Krieg unvermeidlich wird. Bei der Verwendung von Zinsgeld mit parasitärer – der wesentlichen Tauschfunktion widersprechenden – Wertaufbewahrungsfunktion ist das gar nicht anders möglich. Ohne Geld gibt es keine Zivilisation und mit dem falschen Geld gibt es immer wieder Krieg. Der „angesehene, aber ältliche VWL-Professor“, der sich bis heute im „Unrechtsbewusstsein“ (im Programm Genesis) befindet, muss den Kapitalertrag ebenfalls als vorrangig und unverzichtbar für eine halbwegs funktionierende Wirtschaft erachten und vermag daher bei allgemein sinkendem Zinsniveau den Zusammenbruch der Weltwirtschaft vorherzusehen. Dass der Krieg – zwecks umfassender Sachkapitalzerstörung, um den Zinsfuß hochzuhalten – unvermeidlich ist, um die Wirtschaft wieder in Gang zu setzen, wagt der VWL-Professor heute allerdings nicht mehr auszusprechen, denn:
USA: 7260, Russland: 7500, Frankreich: 300, China: 260, Großbritannien: 215, Pakistan: 100-120, Indien: 90-110, Israel: 80, Nordkorea: 6-8.
Die Zahlen benennen die aktuelle Anzahl der Atomsprengköpfe. Ohne die atomare Abschreckung wäre es spätestens in den 1980er Jahren zum Dritten Weltkrieg gekommen.
Welcher angesehene, aber ältliche VWL-Professor behauptet denn, dass die Weltwirtschaft in Kürze zusammenbricht? Dies erklären Sie nicht. Er würde höchstwahrscheinlich auch nicht recht behalten – es sei denn, man dehnt den Begriff „in Kürze“ in die Länge 😉
Aus allen bisher gewonnenen Informationen über das noch vorhandene Restvertrauen der Anleger, den verbliebenen Spielraum der hohen Politik (Restvertrauen in Staatsanleihen) und die so genannte öffentliche Meinung lassen sich die bevorstehenden Ereignisse, die bis jetzt nur theoretisch beschrieben werden konnten, etwas konkreter vorhersagen. Das gilt sowohl für das Was als auch für das Wann, auch wenn eine zeitliche Vorhersage immer sehr gewagt ist und mehr intuitiv als rational erfasst werden muss.
Sicher ist, dass die Weltwirtschaft insgesamt wieder anfangen wird zu schrumpfen, dass der Schrumpfungsprozess schneller ablaufen wird als 2009, und dass die hohe Politik keine Möglichkeit mehr hat, den Prozess zu verlangsamen oder gar aufzuhalten. Das erscheint zunächst als ein negativer Ausblick, der jedoch positiv zu werten ist, denn der endgültige Zusammenbruch des noch bestehenden, kapitalistischen Systems ist die Voraussetzung dafür, dass der Glaube an dieses System verloren geht und die Religion (selektive geistige Blindheit gegenüber makroökonomischen Konstruktionsfehlern) überwunden werden kann.
Sie werden es dann „in Kürze“ berichten 🙂
Fazit: Nix Genaues weiß man nicht 😉
Also mich nervt schon – und das wurde noch gar nicht angesprochen, dass ich mich bei meiner eigenen Bank als Parasit fühle, weil ich keine Schulden habe, sondern Guthaben, die man gar nicht haben möchte. Ich wie?, dass man mit mir Minus macht. Das fühlt sich heute ganz anders an. Ich schäme mich beinah dafür, dass ich seit Jahrzehnten keine Sollzinsen zahle.
Ich weiß eigentlich gar nicht, ob das nur mir so geht. Aber ich fühle mich als Nicht-Schuldner mit Guthaben eigentlich nicht mehr wohl. Das war früher anders.
Na bitte, damit sind Sie ein gutes Beispiel für Michael K., der ja persönlich keine einzige Person kennt, die sich über dieses Thema ärgert.
„Aber ich fühle mich als Nicht-Schuldner mit Guthaben eigentlich nicht mehr wohl. Das war früher anders.“
Einstellungssache.
Einfach glücklich sein ob der Freiheit und Unabhängigkeit, sich freuen dass man Kapitaleinkünfte besitzt und sich immer bewusst sein, wie es drumherum aussieht.
Worin ich Marco D. aber zustimme: wenn ich ausschließlich Cash hätte und keine Unternehmensbeteiligungen in Form von Aktien würde ich mich auch unwohl fühlen. Breit gestreute „Wahre Werte“ dienen der Vermögensabsicherung – und Norilsk Nickel bricht derzeit nach oben aus.
Ich denke, meine Bank liebt mich auch ohne Sollzinsen und mit einem erheblichen Guthaben. Sie verdienen an den Transaktionsgebühren meines Aktienhandels gar nicht so schlecht.
Ansonsten ist es für den Anleger doch vollkommen egal, ob es hohe Zinsen gibt oder nicht. Die Frage ist nur, womit man gerade Geld verdienen kann. Und da gibt es in guten und schlechten Zeiten immer etwas.
Schönes Problem und leicht zu lösen…..