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Vom Sinn zum Unsinn von Kapitalpolstern

11. Juni 2020 - Raimund Brichta in Allgemein | 19 Kommentare

Manchmal sind Banken offenbar schlauer als ihre staatlichen Aufseher: Der Chef der EZB-Banken­auf­sicht, Andrea Enria, fordert die Banken doch allen Ernstes auf, sie sollten jetzt in der Krise ihre Kapitalpuffer schrumpfen und mehr Kredite vergeben. Schließlich habe ihnen die Aufsicht das erlaubt. Letzteres stimmt zwar, aber das eigenständige Denken scheint nicht Enrias Stärke zu sein. Denn:

Wozu sind Kapitalpuffer eigentlich da? Na klar: Um in der Krise ein Sicherheitspolster zu bieten. Welchen Sinn hat es also, dieses Polster ausgerechnet dann zu rupfen, wenn die Krise da ist? Das ist genauso, wie wenn man einen Regenschirm zuklappt, sobald es zu regnen beginnt.

Im Prinzip gibt Enria damit zu, dass das ganze Kapitalpuffergehabe der Bankensaufsicht nur Schein ist: Die Aufseher schreiben das Aufspannen eines Regenschirms nur dann vor, wenn es trocken ist.  Sobald ein Gewitter aufzieht, rufen sie dazu auf, die Schirme zuzuklappen.

 

Das ist zwar widersinnig, aber irgendwie doch verständlich. Es geht nämlich gar nicht anders. In unserem 2013 erschienenen Buch „Die Wahrheit über Geld“ habe ich es so formuliert:

 

“Aber so dick, wie sie eigentlich sein müssten, können die Polster gar nicht werden. Denn je mehr Eigenkapital die Banken für jeden Kredit vorhalten müssen, desto zögerlicher werden sie bei der Kreditvergabe sein. Wer nämlich zu wenig Eigenkapital im Verhältnis zu den vergebenen Krediten hat, kann diese Relation auch dadurch in Ordnung bringen, dass er einfach die Kredite kürzt. Gerade dies aber ist in unserem Geldsystem fatal, in dem eine stetig steigende Kreditvergabe erforderlich ist.


Schon jetzt macht das Reizwort „Kreditklemme“ hin und wieder die Runde. Es beschreibt die Gefahr, dass diejenigen, die auf Kredite angewiesen sind, nicht mehr an genügend Geld kommen. Je dicker die Polster bei den Banken also sein müssen, desto dünner wird hier die Luft. Da aber niemand am Erstickungstod des Systems schuld sein will, dürfte sich dieses Spannungsfeld letztendlich zugunsten der Banken und ihrer Kreditvergaben auflösen.“

Damit bewahrheitet sich eine weitere Erkenntnis aus dem Buch. Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass sich eine Prognose daraus im Realitäts-Check bestätigt. Stay tuned!

19 Kommentare

  1. Für die Kreditvergabe gibt es auch genügend Richtlinen die
    die Banken einhalten müssen. Wie soll eine Bank neue Kredite ausgebenen wenn das Unternehmen nicht weis was für Gewinne
    dieses und nächstes Jahr erwirtschaftet wird. Einfach so
    ins blaue hinein kann doch eine Bank nicht agieren. Haben die Banken genügend Kapitalpuffer? Die Banken müssen doch seit Jahren den Negativzins abführen an die EZB. Es scheint so,
    das die Frau Enria dies gar nicht bewusst ist.

    • Ich glaube, die Frau Enria ist ein Herr 😉

  2. Ich bin dagegen, dass Sie Recht haben. In einer Demokratie sollte es so sein, dass die Mehrheit entscheidet und nicht die Logik oder gar die Vernunft. Darüber hinaus erscheint es wenig wahrscheinlich, dass ein nach seinem Erscheinungsdatum mit Blick auf die schnellebige Zeit veraltetes Buch zutreffende Erkenntnisse vermittelt. Sollten Sie allerdings richtig liegen, dann wäre – mit dem vielleicht Wahren Wert – dagegen vorzugehen. https://www.amazon.de/Hexenhammer-Malleus-Maleficarum-G%C3%BCnter-Jerouschek/dp/3423307803

    • Wie soll ich Ihre Zeilen verstehen? Ironisch?

      • Die Rückfrage enttäuscht mich ein wenig. Sie mag aber darauf zurückzuführen sein, dass ich mich hier relativ selten zu Wort melde. Gleichwohl bin ich ein treuer Jünger und würde folglich niemals nicht im Ernst etwas Despektierliches gegen die Bibel* vorbringen.

        *heißt hier: Die Wahrheit über Geld

    • Demokratie wird überbewertet!
      Das ständige Missachten der Aussagen des Herrn Russell ist letztlich auch die Begründung für Ihren Untergang.

    • Auch Kostolanys Klassiker „Die Kunst, über Geld nachzudenken“ ist rund 20 Jahre alt und aktueller denn je – soviel dazu. Bücher schreiben ist eine Leistung; Bücher werden vor einer Veröffentlichung idR qualitätsgesichert.

      Ich frage mich, ob letzteres auch vor der Veröffentlichung von Medienartikeln durchgeführt wird.

      https://www.n-tv.de/panorama/Schweden-gibt-weiter-Raetsel-auf-article21842625.html

      „Aktuell überleben statistisch betrachtet fast zehn Prozent eine Corona-Erkrankung in Schweden nicht“.

      Viele Leute glauben das…es ist mir unerklärlich, wie solch ein gravierender Fehler es in die Veröffentlichung schafft. Es sei denn, die Falschbehauptung ist bewusst platziert um Panik zu verbreiten.

      Btw: Hast Du das Hexenbuch tatsächlich komplett gelesen? Ich fand die Rezensionen sehr interessant..

  3. Hatten wir heute eigentlich einen Crash? Ok, passt hier nicht wirklich, aber die alten Threads liest keiner mehr. Warum ich frage? Nun ja, das war heute echt heftig. Und ich kann mich nicht erinnern, dass die Kurse mal um 7 Prozent fielen und dann wieder umdrehten.

    • Tja Marco. Das sind bestimmt die Vorwehen von der Wackelperiode, die Raimunds Glaskugel ab 18. Juni angekündigt hat

  4. Zu der Frage ob es ein Crash war möchte ich was sagen:
    Ich denke wir erleben gerade eine Korrektur der letzten Übertreibung.Die Märkte waren zu schnell gestiegen und haben einen Grund für eine Pause gesucht.Die steigenden Covit -Zahlen und Aussagen der Fed waren da Ideal.
    Der S&P500 könnte nun bis zum 50 Tage Durchschnitt fallen, um dann weiter nach Norden zu klettern.
    Das ist typisch für einen Bullenmarkt:Lange,stetige Aufwärtsbewegung mit kurzen heftigen Rückschlägen.
    Wer weiss…. vielleicht haben wir wieder Kaufkurse…..

  5. Vielleicht hat sich die Glaskugel im Termin verschätzt

  6. Rücksetzer war klar vor dem 18.6….was am 18.6. passiert sehn wir noch. Deshalb hatte ich vielleicht geschrieben.

    • Aber ich hatte mich doch schon ausgiebig darüber ausgelassen, dass die Glaskugel Anfangs- und Enddatum der Wackelperiode „atmen“ lässt: Beim letzten Mal waren Anfang und Ende einfach um etwa 1 Woche nach hinten verschoben. Die länge war aber ungefähr so wie „geglaskugelt“.

      Und diesmal scheint die Periode genau eine Woche früher begonnen zu haben, nämlich vergangenen Donnerstag statt Donnerstag dieser Woche. Demnach müsste sie auch eine Woche früher zu Ende sein. Also am 5.7. statt am 12.7.

      Wenn alles vorbei ist, wissen wir mehr. Stay tuned!

  7. Ist das verwunderlich? Irgendwie muss ich gerade an die Amtseinführung von Frau Lagarde denken und die Hoffnung, dass sie besser kommunizieren könnte als Draghi XD

  8. Mehr Kredite in diesen Zeiten vergeben, bedeutet auch, das Ausfallrisiko zu erhöhen, um das zu verhindern, sind die Polster ja da.Wie einst beim Rheinschiffer an der Loreley muss also zwischen den Felsen trudelnde Banken und Kreditklemme hindurch navigiert werden…

    • Aber in der Krise die Polster von vornherein zu schrumpfen, ist im Sinne der Risikovkrsorge kontraproduktiv. In diesem Sinne wäre es sogar angeraten, die Polster zu erhöhen, damit mehr erwarteten Kreditausfällen auch mehr Vorsorge gegenübersteht.

      • Ja, das ist sicherlich richtig. Ich war mein Leben lang dafür, vorsichtig zu agieren und dennoch Chancen wahrzunehmen. Auf die derzeitige Situation übersetzt: Risikovorsorge zumindest beibehalten und dennoch genug für die Kreditvergabe zu tun. Beisst sich aber leider manchmal und dann muss man sich entscheiden oder eben doch wie der Rheinschiffer an der Loreley zwischen den Felsen durchlavieren. Wenn ich derzeit im Zentrum des Sturms sässe, würde ich es wie Helmut Kohl Anfang der 90er machen und auf Sicht fahren. In einer Welt, die täglich neue Situationen und Erkenntnisse hervorbringt, kann man nur auf Sicht fahren.

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